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0414 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 414 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Trieb mich seit dem Verlassen von Lan tschou fu immer die Angst vorwärts, ich könnte wegen meines Umwegs später als meine Karren und Kisten in Hsi ngan fu eintreffen und mein Eigentum könnte verschleudert werden, wenn es niemand an der Endstation in Empfang nehme, so stellte es sich jetzt nach mehrfachem Hin- und Hertelegraphieren heraus, daß sie noch gar nicht von Lan tschou fu abgegangen waren. Ich hatte wieder einmal nicht genug chinesisch-kaufmännisch gedacht. Ein findiger Kopf war auf die Idee gekommen, meine Sendung dazu zu benutzen, einige Kisten Wasserpfeifentabak durch den Zoll zu schmuggeln. Er hatte es aber zu frech gemacht und so wurde alles, meine Kisten wie die Tabakkisten, konfisziert. Schließlich wurde Mr. Shields, weil er mir den Hang empfohlen hatte, von den Kärrnern zu Hilfe gerufen. Als er auf die Zollstation kam, wühlten die Beamten und Soldaten bei strömendem Regen in Vogelbälgen, Schmetterlingen und den mancherlei Kuriositäten. Ohne die Hilfe von Mr. Shields hätte ich noch einmal den monatelangen Weg nach Lan tschou unter die Beine nehmen müssen, um mein Eigentum zu bekommen.

Die größte Sehenswürdigkeit in Hsi ngan fu ist ein uraltes Museum, der Be ling, der Wald der Inschriftensteine, ein Cypressenwäldchen mit Pavillons und tempelartigen Gebäuden, in dem vor langen Jahren schon Hunderte von Steinplatten mit Inschriften und klassischen Malereien von Amts wegen zu einer Goldgrube für die Sinologie zusammengetragen worden sind. Einige Monate vor meiner Ankunft war dorthin in aller Eile durch fünfzig Lastkuli auch die berühmte nestorianische Tafel, die von der großen Verbreitung des nestorianischen Christentums in China im B. Jahrhundert Kunde gibt, von ihrem bisherigen Standort im Westen der Stadt geschleppt worden, weil sie in Gefahr geriet, von einem amerikanischen Sammler mitgenommen zu werden. Außerdem sah man sich als Fremder den alten Gouverneur-Ya men an, in dem Kaiser Kuang sü und Kaiserin Tse hi während des Boxerkrieges gewohnt hatten. Nach dem Abzug des Hofes war dieser Ya men unbewohnt, weil niemand mehr für würdig gehalten wurde, in den kaiserlichen Räumen sich aufzuhalten. Die Räumlichkeiten waren sehr einfach ausgestattet. An den Wänden hingen Kakemonos, Blumen und glückbringende chinesische Schriftzeichen, die zu einem großen Teil die Kaiserin-Mutter mit eigener Hand entworfen und gemalt haben soll. Im Hofe des einstigen Kaiserpalastes zeigte man eine viele Meter tiefe ausgemauerte Zisterne. In ihr — erzählte mein Cicerone — habe der unglückliche Kaiser einen Selbstmordversuch unternommen, um den Quälereien seiner Tante zu entgehen. Weit anziehender gestalteten sich aber damals zwei Feste, die während meiner Wartezeit in der Stadt gefeiert wurden. Das eine war eine große Parade der Mandschu-Garnison, die zu jener Zeit mit 3900 Familien (etwa 15 000 Köpfen) noch das ganze nordöstliche Stadtviertel bewohnte, das zweite Fest betraf eine Schüler- und Studentenfeier, die auf dem alten chinesischen Paradefeld in der Nordwestecke der Stadt vor sich ging. Hier die damals noch am Ruder befindliche Rasse und die Bannerleute, die Stützen der herrschenden Dynastie, dort Jungchina, das den Abschluß der jährlichen Prüfungen feierte, jener neuen Schulprüfungen und Schulung, die berufen sein sollten, das Reich der Mitte, das Volk der Chinesen in neue Bahnen zu bringen, zu einer neuen Blüte zu führen. An Stelle der alten staatlichen Konkurrenzen, in denen Kalligraphie und Gedichte und Essays, nach Möglichkeit bespickt mit Zitaten aus den Klassikern, den Ausschlag gaben und über die Reife und Würdigkeit für die höchsten Staats-

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