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0415 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 415 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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stellen entschieden, und zu denen man sich privatim vorbereitete, hatten die Mandschu Schulen eingerichtet, in denen Mathematik, Naturwissenschaften, fremde Sprachen und Staatswissenschaften gelehrt und geprüft wurden. Jetzt beschloß ein allgemeines Sport- und Turnfest das Schuljahr der Vorschulen, der Mittelschulen, der technischen und der Kadettenanstalten, die alle zusammen einen gewaltigen Fortschritt auf der Bahn der Modernisierung bedeuteten. Während man aber von Staats wegen die chinesische Jugend modernisierte und in moderne und abendländische Gedanken einzureihen suchte, während draußen vor dem Westtor von Hsi ngan fu in zwei festen Lagern zwei Regimenter chinesischer Infanterie in einer dem japanischen Militär ähnelnden Uniform, in Lederstiefeln, mit Seitengewehr und modernen Repetiergewehren exerzierten, stand die Truppe der herrschenden Mandschu-Rasse bei ihrer Besichtigung vor ihrem Oberstkommandierenden mit den ältestenVorderladern da, brachten die Kanoniere zur Parade mittelalterliche Vorderladerkanonen, die wie Kinderspielzeug aussahen, und in der Kavallerieabteilung, die sehr mäßig beritten war, trug wenigstens jeder zweite Mann ein Banner, das den ganzen Mann einhüllen konnte, und dazu eine alte Bogentasche und einen Köcher mit einem Dutzend Pfeile. Zu der Parade waren überdies knapp tausend Mann erschienen. Daß das Mandschu-Volk, das eine so kurzsichtige Politik trieb und gerade seine eigenen Leute am schlechtesten ausrüstete, von seiner bevorzugten Stellung inzwischen gestürzt wurde und fast ohne Kampf unterlag, kann uns nicht wundern. Als 1912 die Kunde nach Europa drang, daß die ganze Bannergarnison von Hsi ngan fu in einer Nacht von den Chinesen überwältigt und erwürgt worden sei, konnte man streng genommen nur staunen, daß dies nicht schon früher geschehen war; es zeigte nur, daß die Mandschu als solche dem chinesischen Volk doch nicht so sehr verhaßt und daß sie nur einigen ehrgeizigen jungen Chinesen und Beamten im Wege waren. In ihrem ganzen Denken und Fühlen waren die Mandschuren in den 260 Jahren ihrer Herrschaft zu vollkommenen Chinesen geworden. Das kleine Mandschu-Volk — 1910 zählte es noch keine anderthalb Millionen Köpfe mit Frauen und Kindern und mit den Bannerleuten — hatte seine Sprache fast vollständig vergessen und hatte dafür die chinesische Literatur besser gepflegt als irgend eine nationale Dynastie vor ihm.

Die größte Wandlung hat in China die Einführung der staatlichen Post gebracht und im Anschluß hieran die chinesische Presse, die erst durch die Post möglich und lebensfähig geworden war. Während in Lan tschou fu noch selten ein Chinese einen Brief zur Post gab und chinesische Zeitungen nicht bloß in Tibet, sondern in ganz Kan su und wo ich während meiner Reise mich aufgehalten hatte, fehlten, trafen in Hsi ngan fu Karrenladungen mit Zeitschriften und Pamphleten aus Schanghai, Hankow, Tientsin ein. Das Publikum der Stadt stürzte sich auf den neuen Lesestoff und mit einem Schlage war er ihm zum Bedürfnis geworden. Die Post, die von den Europäern eingerichteten regelmäßigen Botengänge waren es, die die neuen Ideen über das ganze Land verbreiteten und den Wechsel vorbereiteten.

Endlich waren meine Karren von Lan tschou fu angekommen und ich konnte weiter der Küste zu marschieren. Hsi ngan fu ist, von seiner Geschichte und dem Be ling abgesehen, keine Stadt, die zu langem Aufenthalt einladet. Die große Stadt mit 300 000 400 000 Einwohnern liegt in einer waldlosen Ebene und hat keinerlei Kanalisation. Die Missionare klagten über große Hitze im

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