National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0422 Meine Tibetreise : vol.2
Meine Tibetreise : vol.2 / Page 422 (Color Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000264
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

4

Lama und sprach sogleich zu ihrem Mann: „Du willst dir Rats holen, weil deine Frau schwer krank ist. Du hast zwei Söhne. Schlachte den einen von diesen und hänge sein Fleisch in kleine Stücke zerschnitten auf diesem Berge auf." Als der Mann nach Hause zurückkam, lag auch seine Frau schon wieder da und tat schwer krank. Sie fragte sogleich nach des Klausners Bescheid. „Ich soll einige Messen für dich lesen lassen, dann bist du in einem Monat gesund," antwortete der Mann, der die Wahrheit nicht zu gestehen wagte. Die Frau aber winselte und schrie von Stund an vor übergroßen Schmerzen, bis der Mann ihr versprach, am anderen Tage noch einmal den Klausner zu besuchen. Als er auf dem Berge anlangte, war die Frau auch schon oben und hatte sich wieder in den Klausner verwandelt. „Wenn du deinen Sohn nicht schlachtest, wird deine Frau heute abend tot sein," sprach sie. Da dachte der Mann bei sich : „Wenn meine Frau stirbt, dann habe ich in einem Jahr zwei Frauen verloren. Wenn ich aber den Knaben töte, dann wird mir die Frau viele andere Kinder schenken können." Er beschloß deshalb, einen der Söhne zu opfern, band ihn und wollte ihn gerade an einem Baume erdrosseln, als der andere Knabe rief : „Apa, Apa, Vater, Vater, sieh doch nach der anderen Seite des Flusses, nach dem Berge hinüber," und wie der Vater dahin blickte, erblindete sein linkes Auge. Darauf sah er den zweiten Berg an, den er einst als Zeugen aufgerufen hatte, und da wurde er auch auf dem rechten Auge blind. Jetzt entflohen die Knaben und liefen zu dem Grabe ihrer Mutter und weinten dort drei Tage und drei Nächte. Nach drei Tagen kam eine schöne Frau und fragte sie, warum sie so bitterlich weinten. Plötzlich sauste ein Windstoß daher und führte die Knaben mitsamt der Frau hinweg zu einem goldenen Schlosse am Ufer des Flusses. Dort sprach die Frau: „Ich bin eure Mutter; ich habe nicht mehr mit den Menschen zusammen leben wollen, und deshalb bin ich gestorben und in meine Welt zurückgekehrt. Was aber euer Vater nach meinem Tode tat, das weiß ich alles." Und drei Jahre lang lebten die Knaben bei ihrer Mutter in dem goldenen Schlosse mit den silbernen Türen; dann wollten sie wieder nach ihrem Vater sehen. Die Mutter gab ihnen eine Last Fleisch und zwei Lasten Asche mit auf den Weg. Sie erreichten am Abend das Haus des Vaters und blickten durch die Fenster in die Stube hinein. Da sahen sie, wie ihre böse Stiefmutter sich anschickte, ihren Vater bei lebendigem Leibe aufzufressen, weil er ihr nicht genug Fleisch verschafft hatte. Die Knaben kletterten darum geschwind auf das Dach des Hauses hinauf und. warfen durch den Rauchfang das Fleisch hinunter in die Stube. So viel sie hineinwarfen, alles schnappte die Stiefmutter mit dem Maule auf und verschlang's, und loderndes Feuer schlug aus ihrem Schlund heraus. Da schütteten sie zuletzt, als eben die Frau ihr Maul wieder gierig aufgesperrt hatte, noch die zwei Lasten Asche hinab, so daß sie erstickte. Jetzt nahmen die Knaben den Vater mit sich in das goldene Schloß zu ihrer Mutter, und alles wurde wieder gut. Der Vater blieb aber blind, denn er hatte seine Augen den Berggeistern verpfändet, und auch die erste Frau, die gute Fee, konnte diese nicht mehr einlösen.

Sprüche und Rätsel aus Osttibet.

Wenn ein Ochse über dein Gesicht läuft, so siehst du es nicht; wenn aber eine Laus über das Gesicht eines anderen läuft, so siehst du es sofort.

Wer noch nie seinen eigenen Schatten gesehen hat, lacht über den Schatten anderer Leute.

Ich dachte, ich sei früh aufgestanden, aber ich traf Leute, die noch gar nicht geschlafen hatten.

Die Hühner zerrupfen wohl viel, aber sie fressen nicht nur Körner.

Wenn du das nicht verstehst, was ich dir eben sage, so kann ich dich eben mit Worten nicht satt machen.

In der Stadt teilt der Jäger schon das Wildfleisch und die Felle, ehe er sich zur Jagd begibt.

Schämst du dich nicht, daß ein Dieb, wenn er zu dir kommt, nichts zu stehlen findet !

336