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0070 Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1
Buried Treasures of Chinese Turkestan : vol.1
Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1 / Page 70 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000198
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44   A. v. Le Coq, Turfanexpeditionen

älteren Wand, erschien der Rest eines großen Wandgemäldes, welches einen Mann, überlebensgroß gemalt, in manichäischer Priestertracht darstellte, umgeben von ebenfalls in weiße Ritualgewänder gekleideten manichäischen Mönchen (electi) und Nonnen (electae). Jeder dieser in kleineren Ausmaßen gemalten Religiosen trug seinen schönen persischen Namen in soghdischer Schrift auf seiner Brust. Wir haben Grund anzunehmen, daß wir hier ein traditionelles Bildnis des Religionsstifters Mani vor uns habenl. Das Bild bildet eines der Hauptstücke unserer Sammlung. (Taf. 9.)

Der Fund dieses Bildes zerstört die Anschauung, daß die Manichäer keine mit Malereien verzierte Kirchen (resp. Kultbauten) besaßen; dieser Saal, der einen Teil einer mehrere ähnliche Hallen umfassenden Anlage bildete, war wahrscheinlich eine der „Fasten-hallen" der merkwürdigen Religion.

Unsere Expeditionen sind zu spät nach Chotscho gelangt; wären sie früher gekommen, so hätten sicherlich mehr dieser merkwürdigen, sassanidisch-hellenistischen Malereien geborgen werden können. Aber auch von der für die Religions- und Sprachgeschichte gleich wichtigen Literatur der Religionsgemeinschaft wäre sehr viel mehr gerettet worden: einer der Bauern sagte mir, fünf Jahre vor dem Kommen der ersten Expedition habe er in einem der zur Anlage von Feldern niedergelegten Tempel fünf große Karren (araba) voll der von uns so gesuchten Handschriften mit der „kleinen Schrift", nämlich der manichäischen, gefunden.

Viele seien mit Bildern in Farben und Gold verziert gewesen. Er fürchtete aber, einmal, den unheiligen Charakter der Schriften, und zweitens, daß die Chinesen den Fund als Vorwand zu Erpressungen benutzen könnten und warf kurzerhand die ganze Bibliothek in den Strom!

Die manichäischen Handschriften kommen vor in Büchern verschiedener Art, nämlich der antiken Buchrolle, dem Faltbuch (ein langer, harmonikaartig gefalteter Bogen Papier), dem indischen Buch und dem europäischen gehefteten Buch. Das Pothi oder indische Buch ist ein Stoß langer, schmaler, rechteckig zugeschnittener Blätter, mit einer oder mit zwei Durchbohrungen. Zwei ebenfalls an denselben Stellen durchlochte, oft außen schön profilierte Holzbrettchen etwas größeren Ausmaßes bieten den dazwischenliegenden Blättern Schutz. Eine lange Schnur wird durch die Durchbohrungen gezogen und mehrmals um das Blätterbündel gewickelt.

1 Für Religion und Kunst der Manichäer, sowie für Berichte über Mani, sei hier verwiesen auf A. v. Le Coq, Die buddhistische Spätantike Mittelasiens, Bd. II, Die manichäischen Miniaturen, Dietrich Reimer Verlag , Berlin 1923.