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0146 Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1
Buried Treasures of Chinese Turkestan : vol.1
Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1 / Page 146 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000198
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100   A. v. Le Coq. Turfanexpeditionen

es gelang mir, Kaschghar noch grade vor dem 15. Oktober zu erreichen. Ich machte dem englischen Political Agent, Herrn (jetzt Sir George) Macartney, an den ich mir durch das Auswärtige Amt und das britische Foreign Office Empfehlungen verschafft hattet, meine Aufwartung und wurde von Lady Macartney aufgefordert, bei ihnen zu wohnen.

Bartus hatte mittlerweile der Ehrgeiz gepackt, er wollte nicht auf sich warten lassen. Er kam nur wenige Tage später an, obwohl er das ganze Gepäck auf den langsam gehenden zweirädrigen Karren der Eingeborenen mitzubringen hatte.

Zu unserer größten Bestürzung kam Grünwedel aber auch nicht am 1.5. und auch nicht am Ende des Monats, sondern wir erhielten die Nachricht, daß er in Russisch-Turkistan sein Gepäck verloren habe und seine Ankunft sich verzögern würde ! Da gab es bei uns „dicke Luft". Wir ärgerten uns ganz unsäglich über die verpaßte Gelegenheit, Tun-hwang zu besuchen2. Aber es half nichts, wir

1 Ich hatte mich an die Engländer empfehlen lassen, erstens, weil ich der englischen Sprache mächtig bin und englische Gebräuche kenne , während ich Russisch nicht verstehe und auch mit den russischen Gebräuchen nicht vertraut bin. Außerdem aber hatte ich soviel ungünstige Berichte über den Vertreter Rußlands in Kaschghar, den berühmten Generalkonsul Pietrowskij, gehört, daß ich mich nicht einem so tyrannischen Gewalthaber anvertrauen wollte.

Pietrowskij war ein Mann von außergewöhnlicher Begabung. Er war zu seiner Zeit der eigentliche Herrscher Ostturkistans. Niemand war besser vertraut mit der Geschichte, der Religion , dem Charakter der Chinesen und der Türken, niemand kannte die wirtschaftlichen , militärischen und anderen Hilfsquellen des Landes besser als er, und soweit wäre ein Aufenthalt unter seinem Dach vorteilhaft gewesen. Aber er war eiu Mann von so großem Selbstbewußtsein, daß er anderen Leuten nur schwer gerecht werden konnte. Kapitän Younghusband und Monsieur de St. Ives hatten beide Grund, sich bitter über ihn zu beklagen, und auch Grünwedel und Huth waren bei ihrem Aufenthalt im russischen Generalkonsulat in eine fatale Abhängigkeit von den Launen dieses Selbstherrschers geraten. Ja, bei einer Gelegenheit, als Huth sich gegen seine ungerechtfertigten Anmaßungen auflehnte, fragte Pietrowskij Grünwedel, ob er nicht das Recht hätte, diesen Juden prügeln zu lassen. Grünwedel trat für seinen Begleiter ein, aber das Verhältnis war infolgedessen getrübt.

Solchen Dingen wollte ich mich nicht aussetzen und zog es daher vor, mit den Engländern genauere Beziehungen anzuknüpfen. Ein Entschluß , der mir zu den angenehmsten Bekanntschaften verhalf.

Als ich nach Kaschghar kam , war Exzellenz Pietrowskij bereits zurückgerufen worden. Man hörte aber von Türken und Chinesen erstaunliche Berichte über seine Maßnahmen. Sein Nachfolger war ein liebenswürdiger Mann, der mir viel Freundlichkeiten erwies. Aber seltsam genug waren allerhand Gepflogenheiten, die ich auch mit ihm erlebte. Ich werde nie vergessen, was sich zutrug, als die russischen Herrschaften zum Weihnachtsdiner in das englische Konsulat geladen waren. Sie kamen und waren recht liebenswürdig und angeregt, weigerten sich aber, auch nur einen einzigen Bissen des Festschmauses zu sich zu nehmen, da sie soeben erst gespeist hätten ! Ein Benehmen, das mir immer unerklärlich geblieben ist.

2 Es sei hier erwähnt, daß der ausgezeichnete englische Gelehrte und Reisende, Sir Aurel Stein, bei seinem Besuch in Tun-hwang die Bibliothek tat-