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0048 Von Land und Leuten in Ostturkistan : vol.1
東トルキスタンの土地と人々 : vol.1
Von Land und Leuten in Ostturkistan : vol.1 / 48 ページ(カラー画像)

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doi: 10.20676/00000199
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AUFENTHALT IN KASCHGI4AR

Ich fragte später Herrn Prof. v. Oldenburg aus Petersburg, ob die Akademie die Dose erhalten habe. Aber er wußte nichts davon, und so ist zu befürchten, daß dies ausnahmsweise interessante Stück durch die Kriegswirren für die Wissenschaft verloren gegangen ist.

In Kaschghar war wirtschaftlich vieles stark verändert. Auf Anraten der Russen hatten viele Bauern ihre Felder mit Baumwolle, statt mit Weizen bestellt. Hierdurch entstand große Knappheit an Brotgetreide. Bei den schwierigen Transportverhältnissen ist aber die Zufuhr von Lebensmitteln von außerhalb sehr kostspielig, und viele dieser Bauern hatten zwar russisches Gold in den Taschen, mußten aber von Luzerneklee leben, den sie nach Art des Spinats zubereiteten.

Von anderen Veränderungen melde ich mit Bedauern, daß die geringen Reste perso-türkischer Kunstindustrie — Knüpfteppich

nate vor meiner Ankunft in Kaschghar in das Magazin des Aksakal zu Kutscha und verkaufte es ihm für 6 sär (= ca. 15 Mark). Er behauptete, den Gegenstand im Fußboden eines der am weitesten stromabwärts gelegenen Tempel der Siedelung von Kumtura, an der Rückwand der Cella, ausgegraben zu haben. Isa Chan war von Socoff gebeten worden, Altertümer für ihn zu sammeln und er war entzückt, sich den mächtigen Mann durch ein interessantes Geschenk günstig stimmen zu können. Er sandte es also nach Kaschghar.

Als ich nach Kutscha kam, hatte sich bereits die Kunde dort verbreitet, die Dose wäre viele Hundert Rubel wert. Ak Mullah lief zum Aksakal, warf die 6 sär auf den Fußboden und verlangte die Dose zurück.

Vergebens sagte ihm Isa Chan, daß sie im Besitz des „Uruss Konsul" sei und daß er nichts dafür erhalten habe, der Finder (ich bin überzeugt, daß er die Reliquien-

dose aus Chotän mitgebracht hatte !) bestand auf der Rückgabe und zerschnitt

sich, um diese zu erzwingen, zunächst die Stirnhaut. Als dies nichts nützte, schnitt er sich das linke Ohr ab und drohte, sich auch das rechte abzuschneiden, wenn

er die Dose nicht zurückerhielt. Wir mußten abreisen, ehe diese Sache ihr Ende fand ; wir haben es hier mit einer merkwürdigen indischen Sitte (oder Unsitte) zu tun. In Indien nämlich gibt es 2 Arten in welcher unbezahlte Gläubiger oder gewalttätig unterdrückte Personen versuchen, von ihrem Schuldner ihr Geld, vom Unterdrücker ihr Recht zu erlangen.

Die erste mildere Art heißt „dharnä". Oberst Yule, in „Hobson-Jobson", dem berühmten Glossar anglo-indischer Redensarten und Ausdrücke, definiert diesen

Vorgang als „Eine Art, Zahlung oder Erfüllung einer Forderung zu erpressen. Dies

geschieht, indem der Gläubiger oder Benachteiligte sich vor die Tür des Schuldners setzt und dort bleibt, ohne Speise und Trank zu berühren, bis sein Anliegen erfüllt

ist. Zuweilen droht er, sich selbst einen tötlichen Leibschaden zuzufügen, wenn

man seine Forderung nicht erfüllt." Die zweite Art heißt „trágä". Es ist die extreme Form des unter „dharnä" beschriebenen Verfahrens ; der Benachteiligte

verstümmelt oder tötet sich selbst oder ein Mitglied seiner Familie, um auf diese Weise die göttliche Rache auf das Haupt seines Feindes zu lenken. Besonders bei den Radschput nimmt „trága." zuweilen entsetzlich blutige Formen an. Natürlich sind beide Arten durch das englische Strafgesetzbuch verpönt.

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