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0215 Von Land und Leuten in Ostturkistan : vol.1
Land and People in East Turkistan : vol.1
Von Land und Leuten in Ostturkistan : vol.1 / Page 215 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000199
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SCHLUSSWORT

entgegentritt. Der Ausgangspunkt ist die bereits erwähnte Landschaft Gandhära. Die Inder, wie die Germanen, ein Volk unplastischer Anschauung, hatten nicht vermocht, ein Pantheon für ihre neue Religion zu schaffen. Die hellenistischen mischblütigen Künstler Gandhäras griffen mit kecker Hand in den Formenschatz der antiken Kunst, und unter vielfachen Modifikationen schufen sie dem Buddhismus seine Kunst, die mit dem siegreichen Vordringen der Religion auch China erreichte und dort die Grundlage bildete für die aus schwachen Anfängen entstehende chinesische Kunst. Die Gestalt des Buddha wurde hier aus den Typen des Dionysos oder Apollo geschaffen. Herakles, Pallas-Athene, die Dioskuren, alle möglichen Typen des hellenischen Pantheon wurden umgedeu-

b      tet und erhielten unter größerer oder geringerer Veränderung ihres
Äußeren ganz verschiedene Bedeutung. So ist es mir gelungen, z. B. die Entwicklung der Ganymedes-Legende durch Persien undTurkis-

I      tan bis nach China zu verfolgen. Die Entwicklung ist derart, daß,
wenn man nur den Anfang dieser Serie, die berühmte Gruppe des Leochares und das Gemälde derselben Legende aus Chotscho ver- gleicht, man niemals an einen Zusammenhang glauben könnte. Die Chinesen haben alle übernommenen Darstellungen derart ab- gewandelt und ihnen so stark den Stempel ihres Geistes aufgedrückt, daß man, wenn man die Zwischenglieder nicht kennt, an einen Zusammenhang nicht glauben kann.

Betrachten wir nunmehr einige solche Entwicklungsserien.

Die Ganymedesgruppe. Die aus der antiken Kunst entnommenen androgynen Gestalten („Hermaphroditen") werden in Asien sehr schnell zu Frauen, oder zeigen, seltener, zugleich einen weiblichen Körper und ein keckes Schnurrbärtchen.

Der Ganymedes der antiken Gruppe gehört zu diesen mann-weiblichen Schöpfungen und wird daher gleich auf der ersten Etappe seiner Reise durch Asien zu einem Weibe (Taf. 42).

Dem Inder, der sein Leben hindurch mit jenen unheimlichen Geschöpfen, den Schlangen, vertraut ist, konnte der eigentümlich gewundene Hirtenstab des entführten Knaben leicht die Vorstellung erwecken, daß der Stab den Schwanz eines solchen Reptils darstelle.

Ich glaube, daß der Hirtenstab eine spätere Ergänzung ist, glaube aber auch, daß der Künstler, der sie vorgenommen hat, ungefähr das Richtige getroffen haben wird.

Die erwähnte erste Etappe, Persien, bietet uns ihre Abwandlung auf der berühmten Sassanidischen Goldvase in Wien.

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