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Bilderatlas zur Kunst und Kulturgeschichte Mittel-Asiens : vol.1 |
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haben, trägt ihre ganze Kultur, soweit wir sie kennen, durchaus indo-iranischen Charakter, bis auf die Malerei. Denn während die in Formen hergestellten „Skulpturen" bis zum 9. und io. Jhdt., abgesehen von gewissen absichtlichen Änderungen, noch den spätantiken Vorbildern zu folgen suchen, sind dieselben Typen in den Gemälden der uigurischen Tempel häufig bereits ostasiatisch abgewandelt und bilden ein Glied in der Entwicklungskette der chinesischen Malerei.
Die Uiguren erlagen zwar der übermächtigen Gewalt des Mongolenreichs, die Mongolen ihrerseits aber erlagen der überlegenen westlichen Kultur der Uiguren. Die uigurische Schrift wurde die Schrift der mongolischen Dynastie; uigurische Schreiber und Verwalter füllten alle Ämter des Mongolenreichs, deren Geschäfte eine höhere Bildung erforderten. Auch mit den Gesetzen mußten sie vertraut sein; diese waren allerdings, bei den unterworfenen Uiguren der Mongolenzeit, chinesisch. Welcher Art die Gesetzgebung des uigurischen Staats während seiner Selbständigkeit gewesen, ist mir unbekannt.
Für die Mongolen bedeutete die Unterwerfung der Uiguren den ersten Schritt zu jener seltsamen Auflösung des mongolischen Volkstumes im Türkentum, die sich später in so erstaunlich kurzer Zeit vollziehen sollte. Nach dieser Auflösung wurde der Name der Mongolen, von altersher zwar verhaßt, aber doch gefürchtet, den eigenen Nachkommen verächtlich.'
Mit der Ausbreitung der Macht der Uigurenfürsten über ganz Ostturkistan begannen vielleicht rückläufige Beeinflussungen des Westens durch die nunmehr ostasiatisch abgewandelte Spätantike. Jetzt zum ersten Male dürften buddhistische chinesische Kunstübungen die zu dieser Zeit schon islamischen Gebiete Transoxianas und Chorasans erreicht haben. Eine ungleich stärkere Bewegung nach Westen aber begann später durch die Eroberungszüge der Mongolen, die bis Liegnitz vordrangen. Unter der mongolischen Macht wurde, zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit, der äußerste Osten dem Westen nahe gebracht : die Postreiter der Mongolen, im Galopp von Station zu Station eilend, überwanden auf den durch die blutige Strenge der Herrscher geöffneten und gesicherten Wegen die ungeheuere Entfernung zwischen China und ihren Lagern in Europa in unglaublich kurzer Zeit, und mit all dem Ubel, das den Westen auf diesen Pfaden erreichte, muß auch allerhand Nützliches und Erfreuliches zu uns gelangt sein.2
Der Mongoleneinfall muß ungleich mächtiger auf den Austausch aller möglichen Güter zwischen Ost und West eingewirkt haben, als es die Kreuzzüge vermocht hatten; diese erreichten außerdem nur die islamischen Reiche Ägyptens und Vorderasiens und konnten keine Verbindung mit dem äußersten Osten herstellen; immerhin haben sie dem Westen reiche Gaben gebracht und die unablässig vor sich gehende Ubermittelung aller möglichen Kulturgüter durch den Handel erfolgreich unterstützt.
Alle diese Betrachtungen bestätigen immer wieder die Beobachtung, daß Kulturgüter, wo immer die Möglichkeit eines Verkehrs besteht, von Volk zu Volk wandern, und daß es seit historischen Zeiten keine Kulturen gibt, die ganz unbeeinflußt ihren Weg gegangen sind; auch mehren sich schon die Anzeichen, daß sogar die alten Kulturvölker Amerikas fremdes Gut aufgenommen und
verarbeitet haben.
DAHLEM, SOMMER 1924.
1 Vergl. die Äußerungen Baburs, des Gründers der Dynastie der Großmongolen in Indien, in Talbots Übersetzung seiner Memoiren, London, 1909, S. 44 und 56, ebenso die Verse S. 57
„Hüte Dich auch nur eine Ähre vom Feld eines Mongolen zu nehmen,
Was immer mit dem Samen des Mongolen besät wird, ist verabscheuungswert.
2 So ist z. B. wahrscheinlich, daß die Kunst des Buch-
A. v. LE COQ.
drucks mit beweglichen Typen aus China zu uns herübergebracht Und von den deutschen Druckern vervollkommnet worden ist. Herr Pelliot, aber auch Herr von Oldenburg fand in der berühmten vermauerten Bibliothek von Tunhwang bewegliche hölzerne Drucktypen für uigurische Bücher (vergl. Fr. Rosenberg, Deux fragments sogdien-bouddhiques .. . de Touen-houang, Bull. de l'Acad. des Sciences de Russie 1918, S.818).
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