National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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In einem Wald, bei einem kleinen Kloster, südlich, also noch diesseits des
Passes, kam ich durch ein morsches Holzgatter, das mich durch eine niedere
Mauer aus Feldsteinen und Erde brachte. Eine kleine, feuchte Wachtstube
lag dahinter; zehn Soldaten mit einem Sergeanten, mit einigen Flinten, Lanzen
und Schwertern, hielten darin Wache. Das war die Grenze Chinas! Jenseits
davon begann auch administrativ das tibetische Gebiet. Für drüben also sollte
kein obrigkeitlicher Schutz von den Chinesen zu bekommen sein !
Da ich nur zwei Diener und, wie erwähnt, meinen ganzen, auf Jahre be-
rechneten Silbervorrat bei mir hatte, und da der Paß für sehr räubergefährlich
galt, so machte ich dem Kommandierenden ein kleines Geschenk und erhielt
dafür die halbe Grenzwache als Eskorte. Ich hätte die ganze bekommen, aber
die andere Hälfte war leider nicht da. Sie war — wie mir der Sergeant wieder-
holt versicherte — von irgend einem Vorgesetzten „gegessen" worden, d. h. der
Sold für sie war in den Taschen der höheren Offiziere hängen geblieben. Nur
einen, so hörte ich später, hatte sich der Herr Sergeant selber noch erspart.
Und da das Pulver, das die Vorgesetzten verabfolgten, nicht brennen wollte,
so bettelten mich meine Beschützer gleich noch um Pulver und Blei an. Wir
luden die Gewehre und unter dem Schutz einer flatternden roten Fahne zogen
wir eine halbe Stunde später wieder weiter. Tibetisch ist aber hier nur ein kleiner
Streifen Landes. Noch am gleichen Abend, nachdem wir vom Passe Dar dia la
aus viele Stunden lang das weite Tal Tschi tai gu hinabgezogen waren, das
so, wie man es vom Paß aus sieht (auf Tafel XXXV), wiedergegeben ist,
nachdem wir noch an vier kleineren, tibetischen Klosteranlagen vorbeigekommen
waren, hatten wir wieder ein Mohammedanerdorf erreicht. Das Tal enthielt
einen Salaren-gun und wird von dem umwallten örtchen Tschi tai bu aus von
einem Schu be (Hauptmann) kontrolliert. In diesem Tschi tai-Tale, beim Orte
Be tschuan tang, ist im Jahre 1895 eine große Schlacht geschlagen worden, in
der viele hundert Menschen ihr Leben gelassen haben — meine Soldaten sprachen
sogar von Tausenden. Die Mohammedaner, in der Hauptsache Salaren, die an
der großen Rebellion teilgenommen hatten, wurden hier von Chinesen und
Tibetern unter Tung fu hsiang's Oberleitung, unter Beihilfe der Generale von
Hsi ning fu und Ho tschou lange Zeit hart bedrängt und unterlagen zuletzt
nach verzweifeltem Widerstand der Übermacht. Seit der Zeit liegen viele Dörfer
im Tschi tai gu in Ruinen, andere waren bei meinem Besuche eben erst wieder
neu aufgebaut. Salarenmänner soll es darum jetzt im ganzen auch nur noch
4000-5000 geben. Viele sind erschlagen, andere verzogen. An der Stelle des
Schlachtfeldes ist das Tal auf 400 m verengt und ein großes Tschorten, als ein
Sühnemonument für die Gefallenen von den Tibetern errichtet, erinnert an
das Ereignis').
Die neuen Mohammedanerdörfer im Tschi tai-Tale zeigten sich wenig ver-
schieden von denen von Ho tschou, auch hier waren es Lehmhäuser, zumeist
mit flachen Dächern. Jedermann schien auch noch Chinesisch sprechen zu
können, und die meisten Männer trugen einen Zopf. Während sich die gewöhn-
lichen Chinesen an die heutige, erst im Jahre 1644 eingeführte Zopfhaartracht
gewöhnt haben, glauben die Mohammedaner noch immer, daß sie den Zopf
beim Gebet nicht sehen lassen dürfen. Ja, ich habe chinesische Mohammedaner
1) Mit den Tschorten sollen die Manen der Gefallenen befriedigt werden.
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