National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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getrieben hatte. Bald zerstreuten sie sich wieder und lösten sich auf wie ein Nebel-
fleck. Und wunderbar hell, in klarem, rötlichblauem Lichte begrenzte meinen
Blick ein Zug von schneeigen Höhen, der schon viele Tagereisen weit entfernt
lag. Viele breite Steppentäler und Steppenberge, alle NW—SO ziehend mit
zahllosen Felsecken, mit Kuppen und Gipfelreihen, trennten uns davon. Von dem
großartigen Panorama vor mir versuchte ich vergeblich, ein Bild als Erinnerung
mitzunehmen. Umsonst stellte ich die Kamera auf. Die Photographie vermag
das Unermeßliche nicht wiederzugeben. Sie liefert höchstens einen häßlichen
Abklatsch, eine Karikatur. Die photographische Platte vermag uns nicht aus
eigener Kraft von Tibet zu erzählen ; man muß wissen, was jedes Pünktchen
auf ihr in Wirklichkeit bedeutet, man muß es leben sehen.
Am Nachmittag war es windstill und die Sonne strahlte in diesen Höhen
von 3000 m mit voller Kraft. Meine Leute hockten um den Teekessel und ließen
bald nach dem Schafpelz Nr. 1 auch ihren Schafpelz Nr. 2 von den Schultern
gleiten. Halbnackt saßen die tiefgebräunten Gestalten da und fingen mit Brust
und Rücken die Sonnenstrahlen auf. Kaum war aber am Abend, so gegen 5 Uhr,
die Sonne verschwunden, so ward es bitter kalt, der Schnee knirschte und pfiff
unter jedem Tritt. Alles Hauchen wollte nicht helfen; die Tinte in der Feder
gefror schon auf dem Wege von dem Tintenzeug, das ich über meiner Kerze
erwärmte, bis zu dem Schreibpapier. Und doch weiß j eder, der in unwirtlichen
Gegenden gereist ist, daß, was man nicht gleich am Abend ins reine geschrieben
hat, später nur schwer mehr nachzuholen ist, denn neue und immer neue Ein-
drücke stürmen auf den Reisenden ein. Unter dem Alltäglichen, unter den
Sorgen der Verwaltung, unter Kleinigkeiten, die aber am Tage selber doch
wichtig sind, wird das Wesentliche, um dessentwillen man reist, nur zu leicht
verdeckt und vergessen.
In meinem Zelte sitzend, erlauschte ich in dieser ersten Nacht durch die
dünne Kanevaswand eine lange Beratung meiner Diener, welche mir die Stim-
mung solcher tibetischer Reisenächte vollenden half.
So freundlich mich die Mönche von Gomba soma bewirtet, sie hatten es
nicht unterlassen können, meine chinesischen Begleiter in große Unruhe und
Sorge zu versetzen. Sie hatten ihnen erklärt und, wie es scheint, um ihren Worten
mehr Nachdruck zu verleihen, auch : durch ein rasch befragtes Orakel noch
fester bewiesen, daß meine Expedition unglücklich enden würde. Das Orakel
lautete : „Sieben Menschen werden Unglück haben !" Wir waren nun sieben
Menschen mit dem Hsië dia zusammen, und die Lamas hatten behauptet, wenn
ich als Ungläubiger ein Loch in das Eis des Kuku nor schlüge, um die Tiefe
des Sees zu ergründen, so würden die Götter darob erzürnen, das Eis mit einem
Male zerrinnen lassen und nicht bloß ich, sondern auch alle meine Begleiter
würden elendiglich umkommen. Es sei dann aber auch keine Möglichkeit mehr,
zu den Mönchen auf die heilige Insel, die in der Mitte des Sees liegt, zu gelangen,
die Pilger könnten nicht mehr ihr Ziel erreichen und die Mönche auf der heiligen
Insel müßten während des kommenden Sommers langsam verhungern, weil
ihnen niemand mehr Essen bringen könne. Schon das Jahr vorher sei der See um
die Insel herum nicht zugegangen und niemand auf die Insel gekommen. Um also
den Mönchen auf der Insel zu helfen, hatten die von Gomba soma meine Leute
aufgefordert, auszureißen oder zu streiken. Dies wurde nun des langen und
breiten bis in die tiefe Nacht hinein im Flüsterton am Lagerfeuer verhandelt.
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