National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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habe ich aber schon die schönsten Stunden verlebt. Es herrscht dort eine wunder-
bare Ruhe und ein Friede, der scharf kontrastiert zu dem wilden Leben im
offenen Lande draußen.
In Tibet nimmt das Kloster heute eine Stellung ein wie die entsprechende
Einrichtung bei uns im frühesten Mittelalter. In Tibet sind es heute noch in
erster Linie die Mönche, welche mit mehr oder minder Verständnis des In-
haltes — wie auch einst bei uns im Mittelalter — lesen und schreiben können.
Sie stellen die Kulturträger des Landes vor. In den Klöstern werden die vielen
tibetischen heiligen Schriften, der Kandyur und Tandyur ') und andere Bücher
teils gedruckt, teils abgeschrieben und mit kunstvollen Buchstaben verziert;
es werden Miniaturmalereien in Büchern angefertigt und die verschiedenartigsten
Tempelfahnen gemalt.
Unter den Klosterbrüdern findet man Maler, Bildhauer, Buchdrucker,
Spezialisten für Theatermasken und die vielen Götterbilder, und für alle die
zahllosen Tempelgeräte auch Schmiede, Schreiner, Vergolder, Grundbesitzer,
Kaufleute und anderes mehr, denn das Kloster gibt dem einzelnen gerade nur
so viel, daß er nicht verhungert. Will er sich etwas besser kleiden und besser
leben, so ist er auf privaten Nebenverdienst angewiesen 2). Alle arbeiten ruhig
für sich und im Innern ihrer Häuschen. Es ist darum bei einem flüchtigen
Besuche nicht leicht, ein richtiges Bild von der Tätigkeit und dem Leben in
einem tibetischen Kloster zu erhalten. Wenn wir allerdings das, was wir in
den Klöstern zu sehen bekommen, mit unseren neuzeitlichen Einrichtungen
vergleichen wollen, dann erscheint Tibet roh und barbarisch. Ich hatte aber
dort immer das Gefühl, als wäre ich in die graue Vorzeit der Heimat zurück-
versetzt, als lebte ich mit einem Male etwa in der Zeit kurz nach der Völker-
wanderung oder in Attilas Tagen. Auf den, der in solche vergangene Zeiten zu
sehen liebt, übt die Ursprünglichkeit einen bezaubernden Reiz aus. Ich lebte
in der alten Zeit und sah zugleich als Traumbild in der Ferne all das Hasten
und Erfinden in unserem modernen Europa, als wäre es erst eine Zukunft.
Das Kloster Gum bum hat, wie noch viele andere Klöster, keinerlei Um-
fassungsmauer. Ohne bestimmte Ordnung, dem Gelände angepaßt, stehen seine
Gebäude und sind so zahlreich, daß sie das Tälchen ausfüllen. Wie bei den
meisten tibetischen Klöstern ist auch in Gum bum gomba die Regel befolgt
worden, daß der gegen Osten gerichtete Talhang von den Tempelgebäuden und
Heiligtümern bedeckt wird. An den gegen Westen und Nordwesten abdachenden
Talseiten befinden sich dagegen nur Einzelhöfe, Wohnungen, die Lamapriestern
und reichen Buddhainkarnationen gehören. Krumme Wege und Straßen führen
zwischen diesen vielen Gebäuden. Gum bum ist wie eine kleine Stadt. Es ist
in Quartiere geteilt, damit man sich zurechtfinden kann. Und doch ist es
schwer, einen bestimmten Mönch im Kloster ausfindig zu machen, denn deren
Zahl ist an die 4000 oder, wenn man den tibetischen Angaben Glauben bei-
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Kandyur (geschr.: bKah hgyur , in Osttibet ausgespr.: bGandyir) ist die hundertachtbändige heilige Schrift der Tibeter, welche die Vorschriften und Lehren Buddhas enthält. Sie stellt zum größten Teil Übersetzungen aus dem Sanskrit vor. Tandyur (bsTan hgyur) ist die zweite große Sammlung buddhistischer Werke und Lehren, die teilweise einen Kommentar zum Kandyur bildet und im ganzen 360 Bände hat. Beide Buchsammlungen gelten bei den Lamas für nicht ganz vollendet.
Die Mönche dürfen aber nicht Schlächter und Gerber sein.
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