National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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das Pflaster des Hofes. Der Abt nahm davon keine Notiz, voll Würde und
Gelassenheit bestieg er seinen etwa 11/2 m hohen steinernen, piedestalartigen
Sitzplatz, der mit gelben Kissen und Teppichen bedeckt war und der sich in
der an den Du kang anstoßenden Säulenhalle gegenüber dem Theaterhaus
befand. Als er sich endlich mit viel Umstand und mit Hilfe seiner Umgebung
niedergelassen und wie ein Buddhabild zurechtgesetzt, auch noch etwas Weih-
wasser mit seinen Fingern verspritzt hatte, begann sogleich die Vorstellung.
Wieder schmetterten die langen Kupferhörner von dem Dach des Du kang
ihre schauerlichen Baßtöne herab. Diesmal klangen sie in einen schrillen Ton
aus, den eine aus einem menschlichen Schenkelknochen verfertigte Trompete
von sich gab. Die breite, doppelflüglige Tür des Theaterpavillons öffnete sich,
die Zimbeln und Trommeln setzten langsam und feierlich ein und in den Hof
sprangen im Takte der Zimbeln vier Totenmasken (Dur tschod)1), mit Bändern
und Tüchern wild geschmückte Totengerippe, die von etwa 15jährigen Mönchs-
' zöglingen dargestellt wurden. Sie tanzten und sprangen zum Zimbelklang
auf dem großen freigelassenen Platz paarweise und kunstvoll ; bald sich sammelnd,
bald sich wieder zerstreuend, schnellten sie sich in die Höhe, drehten sich auf
einem Fuß, schwangen die Arme und hoben die Füße, während die alten Mönche
alle ernst und starr ihre Bewegungen, diese Uranfänge unseres Balletts, ver-
folgten. Endlich verschwanden die Skelettmasken und die langen Hörner
dröhnten aufs neue aus der Höhe herab. Ein paar „Dummer August"-Masken,
die eine mit einem riesigen grünen, die andere mit einem ebenso großen roten
Kopf sprangen jetzt aus dem Tempel heraus. Auch diese hüpften erst lange
bald auf dem einen, bald auf dem anderen Bein, wiegten sich nach links und
rechts und schlugen dazwischen plötzlich mit ihrem Kopfe rücklings auf den
Boden. Nach einer Weile führten sie einen alten Mann mit einem riesigen
Rosenkranz aus dem Theatertempel heraus, der noch sechs Knaben bei sich
hatte. Der alte Mann sah genau aus wie der Dicke, der hinten am Golddach-
tempel abkonterfeit war. Er stellte den „Dickbauchbuddha" vor. Er wie
seine sechs Kinder hatten viel zu große Köpfe und sahen deshalb wirklich
originell und spaßhaft aus. Der Dickbauchbuddha mit seinen sechs Kindern
tanzte nicht, er schritt nur langsam und gemessen durch den Hof und blieb
fortan auf der Ostseite in der ersten Reihe der Zuschauer sitzen. Von den
beiden „Dummen Augusten" wurden sodann noch ein großes Servierbrett mit
einem aus Teig geformten kindlichen Körper sowie drei Sitzteppiche in die
Mitte des Platzes gelegt. Zum großen Vergnügen des Publikums konnten sich
die beiden Spaßmacher unter vielen anderen albernen Possen auch lange nicht
darüber klar werden, was die Ober- und was die Unterseite der Teppiche war.
Endlich dröhnten wieder die Riesenposaunen und zwei Hirschkopf- (Tafel LI)
sowie zwei Yakkopftänzer erschienen auf dem Tanzhof. Nach endlosen, wilden
Verbeugungen, Sprüngen und Verrenkungen machten sie einem besonders
kostbar gekleideten riesigen Stierkopf Platz, dem Tschüs dyal 2), dem Hüter
der Moral, dem Gott der Toten. Langsam und feierlich kam der hereingetanzt
und blieb in der Mitte des Hofes stehen. Sein Kopf war schwarz, nahezu ein
Meter hoch, hatte drei Augen, wild aussehende Hauzähne, eine Krone aus
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Dur krod.
Tschos rgyal, sanskr.: Dharmarâja oder Yama.
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