National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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dort staute sich die Menge, und je näher wir zu den Hauptbildern kamen, desto
dichter wurde sie. Hier zogen die Polizeimönche ihre Peitschen heraus und
teilten rücksichtslos nach links und rechts wuchtige Hiebe aus. Wir kamen
aber trotzdem kaum vorwärts, auf den tibetischen Pelzmänteln fruchteten
die Schläge nicht gar viel. Trotz der herrschenden 15 ° Kälte stand darum
den Polizeimännern vor lauter Draufschlagen der Schweiß auf der Stirne, denn
sie hatten vor mir schon einige lebende Buddha durch die Menge geleiten müssen,
wobei sie wahrscheinlich noch viel kräftiger „gearbeitet" hatten.
Endlich standen wir aber doch innerhalb der hohen Masten, welche die
Mönche schon am Tage aufgestellt hatten. Große Seidendecken mit gestickten
Buddhabildern, Teppiche und schön gemalte chinesische Laternen sowie eine
riesige, einen Baldachin bildende Goldweberei aus Kaschmir hingen dort über
unseren Köpfen, vor mir aber baute sich ein Riesenrelief auf, das bei einer
Breite von 8-10 m etwa 9 m Höhe hatte. Auf einem nach vorn treppenartig
abfallenden Altar brannten viele viele Hunderte von Butterlampen, kleine
Messingschalen voll Butter mit einem Docht in der Mitte, und beleuchteten
ein verwirrendes Bild mit zahllosen Figuren, die alle aus Butter modelliert
und angemalt waren. Reiter, Kamele, Elefanten waren darauf abgebildet.
Es war wie eine der großen, Tangga genannten Tempelfahnen gemacht, nur
eben alles in Hochrelief und aus Butter. In der Mitte in zweimal Lebensgröße
thronte das Bild der Göttin Dschoma in wirklich künstlerischer Vollendung.
Unten und auf den Seiten waren Tempel und Häuser dargestellt, die goldene
Dächer hatten. Zu diesen bewegte sich ein Festzug, und Yak und andere Last-
tiere schleppten allerlei Schätze herbei. Auf den Veranden der höheren Stock-
werke saßen viele Frauen im Festschmuck. Das Bild stellte Srong btsan sgambo's
1 Hochzeit mit der chinesischen Prinzessin Wen tscheng (der weißen Dschoma) vor 1).
Das zweite große Butterbild hatte etwa die gleichen Maße. In seiner Mitte
saß eine Buddhakolossalfigur, auf den Seiten und unten war mit etwa fünfhundert
je 20 cm großen Figuren der Empfang des Pan tschen-Lama beim Kaiser
Kien lung in Peking im Jahre 1780 dargestellt. Die Prinzen und Prinzessinnen
auf den Veranden, die Reiter und Sänften auf den Wegen waren alle sehr
säuberlich modelliert. Über dem Buddhabild befand sich ein großer Tempel,
in dem von Zeit zu Zeit als bewegliche Marionette der rGesku-Lama mit seinem
Stock erschien , worauf jedesmal viele Mönchlein , alle gleichfalls Butter-
marionetten, in ihre Gebetbücher sahen. Kaum war die Puppe wieder ver-
schwunden, so schauten sie ebenso flink wieder heraus. Hinter diesem Bilde
war eine Musikbande aufgestellt, die bei meinem Erscheinen ein großes Getöse
anhub, und jedesmal, wenn die rGesku-Butterpuppe erschien und mit ihrem
Stock fuchtelte, machten die Musiker hinter dem Bild aufs neue einen Höllen-
lärm, und alle Zuschauer, Mönche und Volk, lachten und jubelten vor Freude.
1) Srong btsan sgampo ist der größte tibetische König oder Kaiser. Er regierte in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts, heiratete u. a. eine chinesische und eine nepalesische Prinzessin, führte in Tibet die Kursivschrift ein, die heute noch gebraucht wird, und machte seine Untertanen zu Buddhisten. Es gelang ihm, ganz Tibet unter seinem Zepter zu vereinigen und noch große Teile der Nachbarländer unter seine Gewalt zu bringen. Er residierte in Lhasa und ist der Erbauer des Schlosses auf dem Potala, das später die Residenz des Dalai Lama wurde.
sGrolma, allgemein Dschoma ausgesprochen , chinesisch meist Kwan yin pu sa genannt, ist identisch mit der indischen weißen Tara.
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