National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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stellen, er darf aber seinen Laden und sein Geschäft nicht betreten. Viele
chinesische Ehemänner verreisen deshalb rasch, wenn eine Geburt in ihrer
Familie bevorsteht, um so den Verdacht der Unreinheit von sich abzuschütteln.
Nur wenige Tage nach meiner Rückkehr vom Kloster Gum bum starb mein
Hausherr, in dessen umfangreichem Gebäude ich den dritten und hintersten
Hof mit den daran liegenden Häuschen gemietet hatte. Gerade vor meinem
separaten Hoftore wurde der Tote in den folgenden Tagen aufgebahrt, und
dort gingen auch die verschiedenen Leichenzeremonien vor sich, so daß ich
die ganze Feierlichkeit mit aller Muße überschauen konnte. Die Familie des
Verstorbenen war nur leider erst vor wenigen Generationen aus Schen si ein-
gewandert, sie galt noch als fremd, war eine von „unten", wie man in Hsi ning
sagt. So waren nicht sehr viele Verwandte da, die Familie war auch nicht
reich, alles ging deshalb relativ einfach zu und man beeilte sich so viel wie
möglich. Immerhin waren die Umständlichkeiten nach unseren Begriffen ganz
enorm.
Der Mann war sehr alt geworden und dann rasch gestorben. Es war aber
den Angehörigen gerade noch geglückt, der guten Sitte zu genügen und dem
Sterbenden bei Lebzeiten die langen seidenen und wattierten Sterbekleider
anzuziehen, auch ihn von seinem Ofenbett weg auf eine kleine Pritsche zu legen
und in dem Mittelraum des Haupthauses aufzubahren, damit die Seele leichter
ihren Weg ins Freie finde. Die Söhne hatten sich also noch im letzten Augen-
blick als pietätvolle Kinder gezeigt. Dem Toten legte man gleich nach Ein-
tritt des Endes Geld in den Mund, damit er nicht stumm sei, wenn er wieder-
geboren werde, aber er wurde weder gewaschen, noch wurden ihm die Augen
zugedrückt. Wie vergessen lag er in den ersten Tagen in dem Sterbezimmer,
dessen Türen und Fenster weit offen standen. Tagsüber hörte ich nur öfter
den Namen des Mannes, sowie „Vater", „Großvater" rufen, und am ersten Abend
bewegte sich vom Sterbehaus aus ein langer Zug von taoistischen Priestern
mit vielen Laternen, mit Gong, Triangeln und Trommeln durch die Straßen
der Stadt und machte einen Höllenspektakel. Hinter diesen Priestern wurde
eine große Sänfte getragen, in der sich auf dem Sitz ein Brett mit dem Namen
des Verstorbenen befand. Nach dieser Sänfte kam noch ein Tisch mit allerlei
Opfergaben und dahinter wankten in gebückter Haltung, in den weißen, rohen
Trauerkleidern aus Hanf, von Freunden und Lohndienern gestützt, der Sohn
und der Enkel. Sie hatten noch immer nach dem „Gui", d. h. nach der Seele
des Verstorbenen, zu suchen. An allen Ecken und Kreuzwegen blieben sie
dazu stehen, riefen seinen Namen und suchten eifrig am Boden. Denn es ist
chinesische Vorstellung, daß der Tod eingetreten ist, weil die Seele den Körper
verlassen hat, und daß der Körper weiterzuleben vermöchte, wenn nur die
Seele, der „Gui", in ihn zurückkehren wollte oder zurückfinden könnte. Der
Gui wird höflichst eingeladen, wiederzukommen 1).
1) Ob allerdings „gui" (kwei) mit unserem Wort „Seele" zu übersetzen ist, dürfte sich fragen, denn die gewöhnliche Volksphilosophie in Kan su lehrt, ein Mensch habe drei „gui" und sieben „schen" (Geister). Von den drei „gui", die substantiell gedacht werden und zum Yin-Prinzip (s. S. 21, Anm. 1) gezählt werden, während die sieben „schen" immateriell sind und zum Yang-Prinzip gehören, bleibt der eine nach dem Tode bei den Knochen, der zweite haftet mit Hilfe der taoistischen Priester an dem Totentablette, das den Namen des Abgeschiedenen trägt. Diese beiden erlöschen mit
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