National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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Verlassen des Hsi ning-Tales lag noch kaum ein grünlicher Hauch auf den zahl-
reichen Weiden und Pappeln, in Kue de hoben sich kokette Pfirsichblüten aus
dem knospenden Grün der Birnbaumgärten und der keimenden Weizenfelder 1).
Ein 10 m hoher Erdwall mit rechteckigem Grundriß, mit ganz wenigen
Toren, durch die ein Reiter gerade noch — d. h. wenn er sich bückt — durch-
reiten kann, zeigt uns hier ganz das Bild eines der alten römischen Grenzlager
am einstigen Limes germanicus. Der Wall umschließt die Amtsgebäude und
die hauptsächlichsten Heiligtümer der chinesischen Schutzpatrone, daneben
noch einige Dutzend elende Chinesenschuppen, in denen die Soldaten und
Beamten mit ihren Familien wohnen. Auf dem Stadtwalle sah ich große Haufen
faustgroßer Steine, die zur Verteidigung herbeigeschleppt worden waren. Das
eigentliche Leben und Treiben der Stadt, Kauf und Verkauf, vollzieht sich vor
dem Südtor. Dort sind mehrere Straßenzüge, an denen Tibeter, Mongolen,
Mohammedaner und auch chinesische Handelsleute ihre Geschäftsräume und
ihre Wohnungen haben. Man trifft dort äußerst malerische Bilder. Zahlreiche
Lamas lungern tagsüber in ihrer kleidsamen Tracht um die offenen Buden
herum, den Oberrock ihrer Gewandung wie die Toga eines alten Römers über
die Schulter geschlagen und gelangweilt an ihren Rosenkränzen nestelnd. Trotzig
aussehende tibetische Reiter, die lange Flinte mit der meterlangen Auflegegabel
auf dem Rücken, durchziehen auf stämmigen Ponys die Straßen, oft vom Sattel .
aus und herrisch mit den Ladenbesitzern feilschend. Auch diese äußere oder ï14
Vorstadt ist von einer Erdmauer mit Toren umgeben, denn die Sicherheit ist z
in Kue de gar nicht groß. Ein kleiner Raub oder ein Diebstählchen gehört trotz
der Kleinheit des Ortes — es sind im ganzen nur etwa 400 Familien (2000 bis
3000 Einwohner) ansässig — zur Tagesordnung. Die Verhältnisse zeigt wohl
am besten ein Fall, der sich gerade während meines dortigen Aufenthaltes zu-
trug. Ein tibetischer Junker, ein Häuptlingssohn, von einem der Lutsâng-
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1) Auch diese Gegend gehörte einst den Hsi Kiang und später den Tu ku hun, vom Ende des 7. Jahrhunderts an den Tu fan (Tibetern). Während der Yüan-Dynastie bildete die Stadt Ho tschou den äußersten chinesischen Regierungssitz an der Grenze. Dort wurde ein Amt für die Tu fan errichtet, dessen Einfluß bis Kue de reichte. Später 'ging der Platz Kue de aber der Dynastie wieder verloren und erst 1371 unter Hung wu wurd3 er von den Chinesen wieder gewonnen. 1376 kam er unter den Militärbezirk Ho tschou wei und den Tibetern wurde hier wie in Mo bai tschen ein Pferde- und Teemarkt zugestanden. Die Stadtmauer von Kue de wurde 1380 angelegt. Man siedelte damals 48 Soldatenfamilien von Ho tschou hier an, die für sich und ihre Nachkommen steuerfreie Felder angewiesen erhielten und dafür als Miliz Soldatendienste leisten mußten. Tibeter und andere Chinesen ließen sich hierauf in der Umgebung nieder. 1723 wurde die Stadt von den Mongolen unter Lobzang Dandsin, dessen Hauptquartier bei Mo bai tschen stand, hart bedrängt, aber mit Erfolg verteidigt. 1739 kam der Platz unter die Verwaltung des Hsi ning hsien. 1762 wurde Kue de ein eigenes Hsien unter Hsi ning fu und später ein Ting.
Zu dem Bezirk Kue de gehören nur wenige Chinesenhöfe, dagegen 54 steuerzahlende Stämme Tibeter (meist Bauern) und 19 halbfreie Stämme Tibeter (Nomaden). Es unterstehen mehr oder minder nominell alle Tibeter auf dem rechten Hoang ho-Ufer bis 180 km (Luftlinie) = 8-10 Tagereisen weit südlich von der Stadt dem Ting. Im Osten grenzt an dieses Gebiet die EinBußzone des Hsün hoa ting und weiter südlich die des Tao tschou. Der größte Tibeterfürst ist der Ts`ien hu von Lutsâng, Lubungko, der ein jährliches Gehalt bezieht, wenn er sich nichts Größeres zuschulden kommen läßt. Nach dem letzten Krieg, in dem er am Schluß den Vermittler spielte, erhielt er den roten Knopf und bekam 600 große Scheffel Getreide jedes Jahr zugemessen. Nach dem Lutsâng ist der Dantschie Ts`ien hu mit den beiden Stammen Wanschgoro und Tschoch`ru (zusammen 1000 Familien) der mächtigste Häuptling. Weitere Nomadenstämme sind : im Westen von Kue de die Ts'aner, Tschebts`a und Rengan, südlich und südöstlich zwischen der Stadt und Lutsâng die „'ulang, Ats'o, Dschesa, Nerta, Kamba, Bara, Baa-Mongra (800 Familien) und Gonts'a. Viele Nomadenstämme bezahlen eine jährliche Steuer in Lammfellen als Ablösung für den in der Ming-Zeit eingeführten Pferdetribut. Jede Nomadenfamilie soll ein Tschü lin.(Lamm-)Fellchen im Wert von 0,5-0,6 Tael abliefern. Auf diese Art kommen jedes Jahr 9000-10000 Stück zusammen. Die Bauern um Kue de aber besteuert der Ting nach jeder Ernte um den Betrag des Saatgutes, das im Frühjahr auf den Feldern verwendet wurde. Der Ting hat seinerseits die Verpflichtung, 24 Klöster, die in seinem Bezirk liegen, zu beschenken.
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