National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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Stämme im Süden der Stadt, hatte einem chinesischen Kaufmann ein Pferd
verkauft. Kaum aber war der Handel abgeschlossen, so wurde ruchbar, daß
der Tibeter das Pferd bei einem Nachbarstamm gestohlen hatte. Um nun nicht
als gemeiner Dieb, sondern als Grandseigneur dazustehen, der einen solch
fatalen Vorwurf nicht auf sich sitzen läßt, auch damit er nicht politische
Schwierigkeiten für den ganzen Stamm heraufbeschwöre, war unser Tibeter
gezwungen, das gestohlene Pferd dem früheren Eigentümer, einem Tibeter,
zurückzubringen. Denn wie schon bei uns in der Raubritterzeit, so hält man
auch überall in Tibet auf gute Sitte und guten Ruf. Der junge Mann geht also
zum Chinesen, um das Tier zurückzukaufen. In seiner Not bietet er jenem
sogar etwas mehr, als er bekommen. Der Chinese aber ist unerbittlich. Er will
den Handel unter keinen Umständen rückgängig machen. Allzuviel freilich
kann ihm der Tibeter auch nicht bieten, denn dieser hatte das Pferd nur geraubt,
um seine Finanzen etwas auf den Damm zu kitzeln. Wie hilft sich in solcher
Not ein Tibeter? Als der Chinese am Tag darauf sein Pferd aus dem Stall führt,
rennt ihn der Tibeter über den Haufen, schwingt sich auf das Tier und ver-
schwindet auf Nimmerwiedersehen in die Steppe. Seine Freunde bringen das
Tier dem Besitzer, dem es zuerst geraubt war. Die Ehre ist gerettet. Ein Chinese
zählt hier nicht.
Mein erster Gang am Morgen nach unserer Ankunft galt dem Or fu, dem
Ting, im Innern der Stadt. Am Tor seines Ya mens wurde ich mit Böllerschüssen
empfangen. Eine große Ehrung in China, die ich der Empfehlung des Ambans und
dem Wunsche, daß ich nicht von hier aus ins Ts`ao ti gehe, zu danken hatte.
Das Ya men-Gebäude war in einem auffallend verwahrlosten Zustand; der
Platz ist sehr unbeliebt bei der Beamtenschaft. Keiner bleibt länger als ein
Jahr und so läßt keiner die Amts- und Wohnräume herrichten. Bei Regen-
wetter halten nur ganz wenige Zimmer dicht. Selbst im Gästeraum hingen
große Stücke des Papierplafonds von der Decke herab. Man sah durch die
Löcher bis zu den Ziegeln des Dachfirstes hinauf und zwischen den Ziegeln
lugte die Sonne herein. Zum Glück hatte ich das Gemach bei schönem Wetter
aufzusuchen.
Ich wurde in denselben Raum geführt, in dem das Jahr zuvor der „Krieg
von Kue de" begonnen hatte. Auf derselben breiten Bank, auf demselben, mit
einem schäbigen roten Baumwollstoff überzogenen Kissen wie ich saß damals
Seine buddhistische Heiligkeit, der gefürchtete tibetische Lama, die Inkarnation
vom sogenannten schwarzen Kloster, süße falsche Worte mit dem damaligen
Ting von Kue de wechselnd. Er war auf die Bitte des Chinesen gekommen, um
sich vor einer größeren Reise, die er anzutreten im Begriff war, als Freund zu
verabschieden und hatte eben einen großen Yüan bau, ein etwa zwei Kilogramm
schweres Silberstück, aus den Händen des Ting erhalten, um für ihn in Lhasa
Weihrauch und indische Datteln kaufen zu lassen. Seine Begleiter, etwa 300 Be-
waffnete, erwarteten ihn draußen in der Ebene vor der Stadt. Stundenlang
redeten die beiden hin und her. Der Chinese wollte den Tibeter auch zum Essen
da behalten. Das Kaufgeschäft, die süßen Worte, die Einladung, all das war
aber nur Schein und Trug.
Der heilige Lama war bekannt als das Haupt eines Räuberstammes, der
den armen Städtern das Leben verleidete. Unterhalb von Kue de, rechts vom
Hoang ho, hinter hohen steilen Bergen, in Schluchten, wohin man nur auf
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