National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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seinem Schwiegervater für seine Braut zu zahlen hatte, durch den Gehalt, den
ich ihm gab, wettzumachen.
Wir ritten von der Stadt aus nach Westen, querten erst ein breites Fluß-
bett, das von Süden herkommt, und bogen dann bei einem zerstörten Block-
haus, einem „Ba ka", wie man hierzulande sagt, in eine große wilde Schlucht
ein. Es war ein köstliches Reiten. Seit vielen Monaten war es das erste Mal,
daß ich nicht ständig die Schritte meines Reittieres zählte, nicht fortwährend
die Kompaßrichtung aufschrieb, die Berggipfel anpeilte, Aneroidablesungen
machte. Heute ritten wir dazu viel zu rasch.
Mit dem Yakkauf wollte ich noch eine wichtige Probe verbinden : ich wollte
wissen, wie sich mein Inkognito mache. Ich trug jetzt tibetisches Kostüm,
war glattrasiert, hatte Gesicht und Hals braun gefärbt und auf dem Haupt
eine Perücke mit einem Zopf, den ich nach Landessitte um den Kopf gewickelt
und halb von einer mächtigen Fuchspelzmütze verdeckt trug. Es war diese
Verkleidung eine Bedingung meiner Begleiter, denn, sagten sie, wenn wir
Chinesen in die Steppen ziehen , kleiden wir uns j a auch immer wie die
Fan tse.
Bei einem alten Klosterabte, der an der Spitze einer etwa dreißigköpfigen
Klostergemeinde stand, machten wir eine Frühstückspause. Ein klug aus-
sehender rundlicher Herr, in dunkelrotem Gewand wie die übrigen Priester,
empfing uns und nahm mit herablassender Gebärde ein Geschenk an, bestehend
aus einem Khádar und zwei Messern, gab uns dafür seinen Segen durch Hand-
auflegen und ließ uns Tee reichen.
Mit diesem Klosterabte hatte es seine ganz besondere Bewandtnis. Er galt
landauf landab für eine Heiligeninkarnation, und zwar war er auf folgende Weise
dazugekommen. Als sein Vorgänger im Amte, ein frommer und gelehrter
Theologe, vor etwa dreißig Jahren starb, war er ein jung ordinierter Mönch,
der von dem Kloster in eine kleine Filiale als erster Seelenbesorger — er hatte
sich schon durch seine Kenntnisse einen gewissen Namen gemacht — zu einer
Bestattungsfeierlichkeit, der Beruhigung der Seele eines Abgeschiedenen, ab-
gesandt worden war. Mitten in den Gebetsübungen brach der junge Mönch
plötzlich bewußtlos zusammen, und als er wieder zu sich kam, redete er viel
klüger wie zuvor, wußte um die intimsten Klosterangelegenheiten und erklärte,
er sei nicht mehr der frühere Mönch, sondern in seinen Körper sei j etzt die Seele
des alten Abtes gefahren. Kurz darauf kam die Nachricht, der frühere Kloster-
abt sei eines plötzlichen Todes gestorben. Da gab es keinen Zweifel mehr, die
übrigen Mönche und das Volk fielen vor ihm nieder und begrüßten ihn als
Wiedergeborenen, als Heiligen, und seither sitzt der Schlaukopf als Gott in
seinem Tempel und besucht jedes Frühjahr, wenn es warm wird, die umliegenden
Tibeterhorden in ihren Zelten und läßt sich seinen klugen Einfall reichlich mit
„bu se", mit Zehnten, mit Schafen und Ochsen, bezahlen. Und nicht bloß er,
sondern auch das ganze Kloster Dschomo gomba (Dia mo se) erfreut sich seit-
her großen Zulaufes und Reichtums. Nur ein Kloster mit einer Inkarnation
rentiert sich eben in Tibet.
Nach dem Frühstück bei dem Abte ging es steil den kahlen Talhang hinauf,
und nachdem wir noch eine zweite Schlucht gequert hatten, waren wir bald,
nach Westen reitend, auf eine wellige Terrassenoberfläche gekommen. Nicht
10 km von unserem Wege floß der Hoang ho. Man konnte den Lauf seiner
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