National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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i
Gesänge in die Nacht hinaus, Liebeslieder und Erinnerungen an die Kämpfe
zwischen Tibetern und Mongolen.
Es war eine kalte Frühlingsnacht. Man drängte sich gerne eng um den
Herd und um einen von einem kleinen Lehmwällchen eingefaßten Fleck auf der
Erde, auf dem glühender Schafdung ausgebreitet wurde, um die Wärme mög-
lichst vielen von uns zugut kommen zu lassen. Die Tibeter hockten mit nacktem
Oberkörper herum, sie hatten ihren Pelzrock, ihr einziges Gewand, von den
Schultern gleiten lassen, urn so recht intensiv die Glut auf ihre Haut wirken
zu lassen. Auf der Seite des Feuers war es mollig, den Rücken aber erkältete
uns ein steifer Steppenwind, der durch die groben Maschen des schwarzen Yak-
haarzeltes beinahe ungehindert hindurchpfiff. Langsam wogten die Zeltwände
auf und ab. Auf dem Boden lagen ringsumher Pferde- und Ochsensättel, Leder-
säcke und Pelze. Dort im Zelthintergrund hingen verrußte Gebetwimpel und
schmierige Haare von Herdentieren. Man will dadurch den Schutz der Götter
auch für die Tiere herabflehen. In dieser Umgebung die dünnen Glieder der
halbnacktere, tiefgebräunten Männer mit den großen, silbernen Ohrringen im
linken Ohrläppchen, ihren langen, dünnen, schwarzen Mongolenzöpfen, die vielen
großen Amulettbüchsen am Hals, und über dem Herd drüben die stämmigen
Schultern und kräftigen Arme der Nomadenfrauen mit schweren und klappern-
den Rückenbehängen, die mit tassengroßen, massiv silbernen Schalen, mit
faustgroßen Bernsteinstücken und Meermuscheln benäht waren, das wilde Gast-
mahl, bei dem jeder die größten Fleischstücke sich in den Mund schob und das
Allzuviel dicht vor seiner platten Nase mit einem langen Messer abschnitt,
und all dies nur beleuchtet von einem bald bloß düster züngelnden, bald plötz-
lich hell aufflackernden Herdfeuer : dies gab ein Bild, um das mich mancher
Leser beneiden wird. Ich glaubte mich in die Urzeit Deutschlands, in die schlimm-
sten Zeiten der Hunnen- und Mongoleneinfälle zurückversetzt. Kein Wunder,
zitterten unsere Urväter beim Anblick der unwirschen Barbaren, die so plötzlich
auf sie losstürmten. Was für eine starke Hand brauchte es doch, was für lockende
Raubideen, daß solche Kerls zu einem gemeinsamen Zuge vereinigt werden
konnten und die unwiderstehlichen Heeresmassen zusammenkamen, deren Pfeil-
regen unseren Rittern die Sonne ,zu verdunkeln drohte. Es ist ein Glück für die
Welt, daß die Tibeter nur wenige große Herrscher hervorgebracht haben und
daß sie seit mehr denn tausend Jahren politisch völlig zersplittert sind. So-
lange in Tibet ein tibetischer Staat existiert hat, im B. und bis in das 9. Jahr-
hundert hinein, waren die Tibeter die furchtbarste Geißel für die ganze Nachbar-
schaft. Haben sie doch sogar 763 die Residenzstadt Hsi ngan fu überrumpelt und
ausgeplündert. Dank der chinesischen Diplomatie sind jetzt die einzelnen Stämme
getrennt und machen darum wenig Schaden. Ihre Häuptlinge haben heute
nur geringen Einfluß. Sie haben die größte Mühe, die vielen zentrifugalen Kräfte
zusammenzuhalten. Die zunehmende Zersplitterung in winzige Gemeinden
hält immer noch an. Jede Zeltvereinigung lebt in fortwährender Angst und
Kriegsbereitschaft, denkt jederzeit an die Möglichkeit eines räuberischen Über-
falls. Auch mitten in unserem Schmause entstand für einige Augenblicke
wildeste Aufregung, als plötzlich die Hunde — die vier Zelte hatten im ganzen
etwa 15-20 Stück — wütend anschlugen und in die Finsternis hinausstürmten.
Ohne ein Wort zu verlieren, griff jedermann zu den Waffen, die langen Lanzen
wurden vom Zelteingang genommen, einige entzündeten die Lunten ihrer
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