National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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die tausend tiefen Falten und Fältchen, die ihr Gesicht und ihr Oberkörper
aufwies, starrten von Fett und Schmutz. Eine dicke schwarze Schmutzschicht
bedeckte ihre Arme und ihre Beine — während der Arbeit war sie aus religiösen
Gründen, um wie Buddha zu sein, barfüßig. Barhäuptig, den Kopf rasiert,
am Hals eine Unzahl von Lederbeuteln mit Amuletten, die bis zu den welken
Brüsten herabhingen, den Körper in einem alten ärmellosen Priesterrock, die
dürren Oberarme nur ein kleines Stück weit in zerrissenen Pelzfutteralen, hohl-
äugig und heiser von der Behandlung Sungs, so saß die Nonne vor mir. Während
der Eßpause hatte sie gemütlich an einem Strumpf mit ihren dicken eisernen
Stricknadeln gestrickt. Jetzt war sie wie umgewandelt. Stier war ihr Blick
auf mich gerichtet. In der Linken eine klirrende Glocke, in der Rechten eine
wie Blech tönende Handtrommel aus zwei Menschenschädeln, begann sie erst
im Baß, dann kreischend und gellend, immer rascher, immer fürchterlicher auf
mich einzuschreien. Jetzt läßt sie Glocke und Trommel sinken und fährt mir
mit ihren dürren Krallenfingern mit teuflischem Gebrüll fast ins Gesicht. Jetzt
streicht sie schmeichelnd und geschmeidig wie der gewandteste Magnetiseur
über meinen Körper und einen Augenblick später geht es weiter mit Glocken-
klang und Trommelschlag, so hastig, so eilig, daß die sich jagenden Worte der
Hexe, die Anrufungen und Verwünschungen, alle die tibetisch verdorbenen
Sanskritworte wie eine Melodie an mein lautemüdes Ohr klingen. Zwei Stunden
lang arbeitete sie so mit mir, dann sollte der böse Geist meiner Krankheit ge-
bannt sein. Ich konnte aber in der Folge viele Nächte nicht ruhig schlafen,
immer wieder bekam ich dasselbe Traumgesicht, immer mußte mir die alte
Tschumo mit ihren schmutzigen Krallen ins Gesicht fahren und mich aufwecken.
Die Tschumo von Tschégr fisung war von der Bönbosekte , sie drehte ihre
Gebettrommel links herum, d. h. entgegengesetzt unseren Uhrzeigern. Bembe
(Bönbo, Bonpo) sind in Nordosttibet unter den Zelttibetern ziemlich häufig, je-
doch wohl nicht zahlreicher als überall in Tibet. Es sind die Anhänger des ersten
tibetischen Schamanenkultes, der heute aber ebenso große Umwandlungen durch-
gemacht hat wie der tibetische Buddhismus selbst. Sie haben viel vom
Lamaismus übernommen. Das Sonderbare an der Verbreitung der heutigen
Bönbo ist, daß selten ganze Stämme zum Bönboglauben halten, sondern meist
nur einzelne Familien bönbisch geblieben sind.
Vom Ga fo ying pan ging es fast genau westwärts weiter. Es galt den
nächsten Gebirgszug zu queren. Wir mußten jetzt eine gewaltige Kette über-
steigen, die eine Streichrichtung von N 45 ° W aufwies und aus ungemein steil
gestellten, j a auf lange Strecken aus genau vertikal geschichteten permischen
Sandstein- und Tonschieferplatten aufgebaut war. Aus dem dunkelgrün und
blau gefärbten Gestein schimmerte ein Wirrsal von Quarzadern heraus. Dieser
weiße Quarz ist das Muttergestein des Goldes, das von den Chinesen aus dem
Talschotter herausgewaschen wird. Wir begannen gleich hinter dem Lager
mit dem Aufstieg. Links und rechts von unserem Wege zeigten zahllose Gipfel
Schneebedeckung. Gar viele reckten ihre glitzernden Häupter bis weit über
5000 m empor. Das Gebirge zeigte sich, entsprechend den steil gestellten
Schichten, reich gegliedert, wies aber nirgends schärfere Formen auf. Das
Gestein war zu weich, um größere Felsbildungen zuzulassen.
Bereits am zweiten Marschtage hinter den Zelten der Schüch` tsong-Tibeter
kamen wir über den bequemen Paß Tscheger tscheibtsen (rdyibtsen) la, dessen
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