National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.1 |
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Westen ab und folgte dem Tschürnông tschü aufwärts. Einen Weg gab es
nun nicht mehr. Tiefe Schluchten, eine dicht hinter der anderen und eine steiler
als die andere, mußten überschritten werden und machten die Yak zum Um-
fallen müde und matt. Im Lager 27 wurde wieder einer der Ochsen geschlachtet,
der nicht recht vorwärts kommen wollte. Meine Dunganen banden ihm die
Füße zusammen, drehten seinen Kopf nach Westen, damit sein Geist nach der
Kaaba finde und von dort in den mohammedanischen Himmel gelange. Wenn
das Messer mit einem kräftigen Ruck die Halsschlagader durchtrennt, ruft der
Schächtende : „Bismillah !", wirft gleich darauf das Messer auf die Erde und
betet eine Koransure, die aber in dem Munde meines Dunganen H` an nicht im
mindesten mehr arabisch klang.
Am 26. Mai morgens war Sung schwächer als je zuvor. Außer ihm war,
als wir aufbrachen, auch der ältere Tschang schwer krank. Er war bereits so
schwach, daß ihn zwei Mann auf sein Reitpferd heben mußten. Im ersten
Augenblick hielt ich es für die Wirkung meiner Opiumentziehung und ließ ihn
noch eine weitere Pfeife rauchen. Er wurde jedoch während des Marsches immer
hinfälliger und begann zu phantasieren. Plötzlich befiel auch mich dieselbe un-
sägliche Kraftlosigkeit, so daß ich mich nach jeder Kompaßpeilung auf mein
Pony heben lassen mußte. Bald war ich schlechterdings außerstande, allein
mich noch im Sattel zu halten. Zwei Mann mußten mir zur Seite stehen. So
blieben nur noch vier Mann als Treiber für die große Karawane übrig. Wir
schlugen deshalb schon um halb acht Uhr in der Frühe wieder Lager; es war
das 28. Ein Schüttelfrost packte mich und alle Glieder schmerzten. Das
Lästigste aber war die Atemnot und Herzbeklemmung, die ich zunächst freilich
der Höhe des Lagerplatzes zuschrieb. Als bei mir wie bei den anderen noch im
Laufe des Tages Erbrechen und Durchfall dazukam, war ich überzeugt, daß wir
an Typhus erkrankt seien, der ja auch unter den Nomaden in Tibet nicht fehlt.
Ich fühlte mich so elend, daß ich es für ausgeschlossen hielt, daß ich meine
Krankheit überstehen könne, und diktierte am Nachmittag Da Tschang einige
Abschiedsworte an meine Eltern und einige Befehle an die Leute. Ich mußte
mir den Arm halten lassen, um nur meine Namensunterschrift unter Da Tschangs
chinesische Zeichen zu setzen. Abends war meine Temperatur nahe an 41 °.
Um Mitternacht brachte Sung das Lager in heillose Verwirrung. In seinen
Fieberdelirien war er aus dem Zelte gestürzt, hatte der Wache das Gewehr
aus der Hand gerissen und blindlings drauflos geschossen. Dazu stieß er den
tibetischen Kriegsruf aus, so daß wir anderen Kranken überzeugt waren, die
Sidia kämen. Auch ich wollte aufspringen, konnte mich aber nicht erheben
und mühte mich vergeblich, den Hahn meiner Pistolen zu spannen.
Am Morgen des 27. Mai klagte auch Da Tschang über Mattigkeit und über
Kopfschmerzen. Vier Mann lagen jetzt im Mannschaftszelt in Delirien. Ihre
Schreie klangen markerschütternd. Die Gesunden kampierten darum in einer
Entfernung von 50 m von den Kranken. Sie waren vorsichtig geworden und
hatten dort alle Wagen zusammengetragen. Es waren am Ende nur noch die
Mohammedaner, die sich aufrecht hielten. Ich versuchte durch Waschungen
und durch Fiebermittel meine innere Hitze zu bekämpfen. In meinem Kopf
aber hämmerte es weiter und die Temperatur hielt sich gleich hoch. — — -
Es war ganz dunkel, als ich wieder erwachte. Ich erinnerte mich, daß ich so-
eben im Abiturientenexamen gesessen hatte — — — j a, ja, ich bin noch triefend
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