National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Meine Tibetreise : vol.2 |
Linie ihre Toten in den Fluß zu werfen. Ich wurde an diesem Tag mehrfach auf Mani-Flaggen aufmerksam gemacht, die über das Flußufer hingen und einen Platz bezeichneten, wo eine der nackten und zusammengebundenen Leichen versenkt worden war. Der Kampf mit den Morästen wurde immer noch schlimmer. Die Umwege um die großen Wasserlöcher nahmen kein Ende. Wir hatten es alle aufgegeben, Stiefel und Hosen zu tragen, da wir ein zu amphibisches Leben führen mußten. Zweimal versuchte ich vergebens über den Me tschü zu gelangen. Die 100 m breiten Fluten waren schon einen Schritt vom Ufer über mannstief. Not- gedrungen mußte ich mich am 31. August entschließen, wieder nach Nordwesten zu schwenken. Schon früh am Tage trafen wir auf Herden und Nomaden und ritten durch eine Gasse von schwarzen Zelten. Wir erregten dort wenig Auf- sehen. Man war mitten im großen Umziehen und vollauf mit sich selbst be- schäftigt. Kein Hund kläffte uns an, da alle Haushaltungen durcheinander ge- kommen waren. Mit Mühe brachte ich heraus, daß wir zum Läwa- Stamme gekommen waren. Die neue Zeltstadt war eben im Entstehen und jede Minute brachte neue Haufen von Pferden, mit Kisten und Ballen beladene Yak und Scharen von Schafen, die triefend naß um eine nahe Bergnase bogen. Unser Weg führte uns an allen den umziehenden Haufen des etwa 1500 Köpfe starken Stammes vorüber. Barfüßige Weiber und Männer hockten auf un- gesattelten Pferden und trieben ihre Tiere mit rauhem Geschrei vorüber. Männer und Weiber steckten nur in großen Schafpelzen, die sie bei der Arbeit bis zur Hüfte hatten herabgleiten lassen, um besser zufassen zu können. Die nackte Brust der kraftvollen Nomadenfrauen bedeckten zwei breite, mit Korallen, Türkisen, mit Silber- und Muschelknöpfen benähte Bänder, die wie die Spangen eines Kürassierharnisches von der Schulter herabliefen und sich vorne in einem schweren Messingstück vereinigten, das seinerseits am Gürtel festgehalten wurde. Zwei ebensolche Bänder liefen den Frauen am Rücken hinab; mit ihnen waren ihre vielen kleinen Haupthaarzöpfchen verbunden. Hinter einem niederen Bergsattel führte der Weg durch einen 41/2 km breiten Seitenast des großen Me tschü-Sumpfes, der sich westlich unserer Route breit machte. Grund- lose Löcher und breite Stellen, wo schwimmende Wasserpflanzen ein lästiges Hindernis bildeten, wechselten mit Inseln, auf die sich heulende Hunde gerettet hatten; die Tiere stolperten über Dünenreste, auf die sich vor Kälte zitternde Schafe angstvoll flüchteten und drängten. Mitten durch das Tohuwabohu des wilden Umzugs mußte unser Häuflein seine „Straße" ziehen. Ich mußte an meinen Freund Dyoba Dyentsen aus Barun denken, der mir vorjammerte, Nomade zu sein und immer wieder umziehen zu müssen, sei ein ganz scheuß- liches Leben. Der Hirtenberuf ist immer für den Menschen nur ein Notbehelf gewesen. Im Durchschnitt betrug die Tiefe des Sumpfes nur 0,60-0,70 m, doch war bald kein Fleck mehr an uns trocken. Die Reittiere gerieten mehrfach in Löcher, durch die sie durchzappeln und schwimmen mußten. Ein Maultier, das einen Teil der Platten trug, stürzte so unglücklich, daß zwanzig Schachteln belichtete Platten verdarben. Im Kreis um einen niederen Hügel fanden wir jenseits des Sumpfsees noch drei Dutzend Zelte, die den früheren Lagerplatz bezeichneten. Zwei Sung pan- Händler, Freunde meiner Begleiter, zankten sich mit dem Häuptling, weil er auch ihre kostbaren Teelasten dem gefährlichen Transport durch den Sumpfsee | |
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