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0010 Baukunst und Landschaft in China : vol.1
Architectural Arts and Landscapes in China : vol.1
Baukunst und Landschaft in China : vol.1 / Page 10 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000203
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also im Tode, im Nichts. Bis dahin aber bleiben sie in äußerster Spannung und Tatkraft und erfüllen ihre Bestimmung, aufzubauen an der sichtbaren Welt und an den zahllosen einzelnen Erscheinungen, in deren Bilde das Unendliche, die Einheit selbst sich uns darbietet.

Das Symbol dieser Zweiheit von Drachen, die mit dem mittleren Kleinod eine Dreiheit bilden, geht zurück auf die ältesten Zeiten der Menschheit und findet sich in Anfängen bereits an sehr frühen Darstellungen Vorderasiens. Kann man aber bei diesen ihre ursprüngliche Bedeutung nur ahnen, so haben die Chinesen ihr eigenes Sinnbild mit Klarheit herausgearbeitet und als den wahren Inhalt ihres Seins bewußt gedeutet. Chinesisches Wesen bietet sich uns stets zwiespältig, in jener Zweiheit dar. Großzügig und zugleich auf das Kleinste bedacht, idealistisch und materiell gesinnt, gleichgültig und zäh, sorglos spielend und von äußerster Sorgfalt, weltverloren und von höchster Tatkraft, kaltblütig und jähzornig, festhaltend am Hergebrachten und nach Neuerungen, ja nach Umsturz begierig, immer offenbaren sich zwei entgegengesetzte Eigenschaften, und im großen Geistesleben kämpften stets und gleichzeitig feindliche Strömungen miteinander. Zugleich aber sind die Chinesen als Volk wie als einzelne Persönlichkeiten wahre Vorbilder geschlossener, einheitlicher Kultur. Die letzte Wahrheit ruhte in China immer auf dem reinen Untergrund des absolut Gültigen. Sie ist keine andere als jene, die in dem Symbol der beiden Drachen mit der Perle dargestellt ist, nämlich die Ueberzeugung, daß es eine wirkliche Welt des Idealen gibt, deren feinste Kräfte in uns wirksam, aber nicht faßbar sind, und eine andere unwirkliche Welt des Scheins, unser Leben, das heiter oder stürmisch verläuft im Widerstreit von feindlichen Mächten, das wir uns aber gleichwohl harmonisch gestalten müssen, möglichst als ein Abbild der spirituellen, der wahren Welt. Aus diesem Gedanken entsprangen gleichzeitig der Hang zur Weltflucht und das Bedürfnis nach unermüdlicher Betätigung im praktischen Leben, das Bedürfnis auch nach Größe in der Kunst und nach Ausbildung der kleinsten Einzelheiten. Und beide Seiten, die geistige und die körperliche, wurden miteinander verbunden und religiös verklärt, auch in den Werken der Baukunst, die schließlich nichts anderes sein dürfen als Sinnbilder göttlichen Wirkens, Zeugnisse unserer Zusammengehörigkeit mit der Natur, Ausdruck unserer Einheit mit dem höchstem Geist, mag man ihn nun Tao, Konfuzius oder Buddha nennen.

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Der Hauptgedanke, der sich wie ein roter Faden durch die geistige Kultur der Chinesen zieht, ist das innige Verhältnis, in dem der Mensch zu dem Erdboden als solchem steht. Dieser ist ihm die Mutter, aus der er stammt, die Ernährerin, solange er lebt, und seine Zuflucht nach dem Tode. Daher die Anhänglichkeit, die der Chinese seiner Heimatscholle bewahrt und die ihm den Wunsch eingibt, sich, falls irgend möglich, auch in ihr bestatten zu lassen. Stärker als bei irgendeinem anderen Volke ist bei ihm das Gefühl für die engere Heimat ausgeprägt, und Leute aus derselben Provinz oder gar aus demselben Bezirk schliefen sich in der Fremde sofort eng aneinander an mit einem rührenden Gefühl des Glückes.

Denkt sich der Chinese bei seiner Vertrautheit mit dem Boden diesen als eins mit sich, als die Quelle seiner Kraft und seiner Seele, so hebt er die Augen auf zu dem Ursprung des Bodens, zu den Bergen. In ihnen erblickt er den Ursprung auch des eigenen Seins und der Heiligkeit, den Sitz der Gottheit. Die Berge verbinden die Erde mit dem Himmel. Sie werden heiliger, je höher sie sind und je mehr sie durch ihre Besonderheiten auffallen. Die Höhlen und Klüfte in ihnen sind bewohnt von Geistern, Tempel werden auf ihnen angelègt, berühmte Staatsmänner, Weise, Dichter und Heilige stammen von dort und kehren nach vollbrachter Lebensarbeit dorthin zurück, um mit der Natur wieder eins zu werden. Der Buddhismus meißelte tausende Buddhas in die Felsen als Sinnbild der göttlichen Kräfte, und schon das chinesische Altertum scheint die schlafenden Götterfiguren in den Felshöhlen

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