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0011 Baukunst und Landschaft in China : vol.1
Architectural Arts and Landscapes in China : vol.1
Baukunst und Landschaft in China : vol.1 / Page 11 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000203
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gekannt zu haben als Bilder der ruhenden Naturkraft, die nur geweckt zu werden braucht. Die besten Heilkräuter kommen von den Bergen. Die Toten werden mit Vorliebe an ihren Hängen bestattet, und die Wohnstätten für die Lebenden, die Städte, sind in gleicher Weise im Schutz der Berge angelegt.

Die Kraft der Sonne führte den Boden von den Bergen herab in die Ebene und bereitete dort den fruchtbaren Acker. Sie brauchte dazu als Mittel das Wasser, das durch Verdunstung aufsteigt, als Wolken die Berge umzieht und als fallender Regen seine Arbeit verrichtet, um danach spurlos im Weltenmeer unterzugehen. Dem Wasser ist seit den ältesten Zeiten in China ein hoher Grad von Heiligkeit beigelegt worden, und es ist gepriesen als Vorbild und Symbol für das menschliche Tun. Sein stetiges, unaufhörliches, oft unmerkliches Wirken entspricht der chinesischen Ueberzeugung von der langsamen Entwicklung aller Dinge im Leben des Einzelnen wie des Staates. Aus dieser Erkenntnis heraus prägte Laotze sein berühmtes Wort Wei wu wei »Wirken ohne zu handeln«. Er wies auf die Demut hin, die der wirklichen Größe eignet, wie dem Wasser, das sich stets den niedrigsten Platz sucht: »Zu hausen an den Orten, die alle Menschen meiden, das bringt uns nah dem Tao«. Konfuzius vergleicht den Laotze mit einem Drachen. Er verstünde es, verborgen im Dunkel des Wassers zu leben, dann aber wieder aufzutauchen und im Sprunge in die Luft sich zu erheben als Sinnbild des weithin sichtbaren Ruhmes einer großen Tat.

Mit der Erde, die als Ganzes weiblich gedacht ist, bildet der Himmel, als das männliche Prinzip, das chinesische Weltgebäude. Die Sonne gilt als Verkörperung des Himmels und als das Hauptgestirn, das durch seine Wärme Leben erweckt aus dem Schoße der Mutter Erde. Darum wird die Sonne als Spenderin allen Lebens verehrt. In der Anlage aller Baulichkeiten, der Häuser, Paläste wie der Städte, kommt dies dadurch zum Ausdruck, daß deren Hauptachsen alle nach Süden, zur Sonne des Mittags, orientiert sind. Selbst dort, wo Berge, Flüsse oder Straßenzüge eine andere Anordnung erzwingen, klingt meist die nord-südliche Achsenbeziehung hindurch in den Regierungsgebäuden und Tempeln der Städte und in den Altären der Wohnungen. Nichts kennzeichnet besser das Bedürfnis nach Rhythmus und die Macht, die einheitliche, große Gedanken in China haben, als diese Tatsache der gemeinschaftlichen Achsenführung der Bauanlagen.

Auf die äußeren Lebensformen hat dieser Baugedanke einen bestimmenden Einfluß ausgeübt. Selbst im kleinsten Haushalt empfängt der Hausherr mit Würde den Gast an der Türe und geleitet ihn, der Achse des Gebäudes entlang, zu dem Ehrenplatz am Ende der Stube, nimmt neben ihm Platz, und beide blicken während der Unterhaltung nach Süden. Feierlicher sind derartige Empfänge in den Regierungsgebäuden hoher Beamter. Hier schreitet der Gast durch die lange Flucht der Höfe, durch die weitgeöffneten Pforten von drei, vier, ja fünf Torbauten bis an das Ende der Achse zur Empfangshalle, in der mit vollendetem Zeremoniell die feststehende Sitzordnung eingenommen wird. Die Länge der Achse wird oft ins Ungeheure gesteigert bei den Palästen und Tempeln, in deren Hauptgebäuden die Götterstatuen oder, wie in den Tempeln des Konfuzius, die Namens-tafeln nach Süden blicken, und wo die Schar der Priester, Beamten und Laien, die beten und opfern und ihre Ehrfurcht bezeugen, sich nach Norden wenden muß. Die Toten werden bestattet mit dem Gesichte nach Süden. Bei den Städten ergeben sich solche langen Achsen von selbst durch die symmetrischeAnlage der Tore und Straßenzüge innerhalb der Rechteck-form der Stadtmauern. Am eindrucksvollsten ist das in Peking. Die ganze Doppelstadt ist aufgeteilt entlang einer gewaltigen Achse, die gegen Süden gerichtet ist und an der auch die Kaiserstadt liegt zu Füßen des fünfgeteilten Kohlenhügels. Von hier aus, vorn Kaiserthrone, glitt der Blick des Kaisers nach Süden über das weite Reich, wenn an seinem Geburtstage oder zu Neujahr die Beamten und zahlloses Volk in den Tempeln jeder Stadt und jedes Dorfes ihm Verehrung bewiesen und dabei nach Norden blickten zu ihm, dem Vertreter des Himmels auf Erden, dem Spiegelbild der Sonne.

VII