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0019 Baukunst und Landschaft in China : vol.1
Architectural Arts and Landscapes in China : vol.1
Baukunst und Landschaft in China : vol.1 / Page 19 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000203
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von Menschenwerk und Natur, nach dem man im Innersten verlangt. Und darum ist es auch bis heute das auffallendste Merkmal chinesischer Baukunst geblieben.

Maßgebend für das Bedürfnis, dem starren Schönheitsideal wohlabgewogener Proportionen durch ornamentalen Schmuck und durch weitgehende Auflösung der Einzelheiten einen lebendigen Inhalt zu verleihen, war ohne Zweifel die Gewohnheit, metaphysischen und religiösen Stimmungen stets und überall bis in die alltäglichsten Einzelheiten hinein Rechnung zu tragen. Für die Darstellung der geheimnisvollen Zusammenhänge zwischen Göttlichem und Menschlichem boten bewegte Linien und Flächen im Verein mit einem überquellenden Reichtum an naturalistischer Ornamentik einen ähnlich befriedigenden Ausdruck wie bei uns in der Gotik oder im Barock.

An den Gedächtnistoren für verdiente Männer und Frauen wird ein Merkmal edler chinesischer Architektur besonders deutlich, nämlich die Verschmelzung der beiden Grundgedanken, einfache konstruktive Grundform und reicher, lebendiger Ornamentschmuck, Yang und Yin, männliches und weibliches Prinzip, zu einer harmonischen Einheit. In der Provinz Shantung, der Heimat inonumentaler Skulptur, findet man die meisten und schönsten derartigen Denkmäler. Die Sockel, Balken und Friesplatten, oft sogar die Pfosten selbst, sind bedeckt mit Ornament, auch mit figürlichen Reliefs. Niemals aber sind diese künstlerischer Selbstzweck, sondern unterstützen nur mit feiner Zurückhaltung die architektonische Wirkung des Denkmals.

Die Gedächtnistore lassen die Wandlung des Baustils nach Provinzen klar erkennen. Dem Norden sind einfache, straffe Verhältnisse eigen, herbe Verteilung der Linien und Massen und eine kräftige Reliefkunst. Die Provinz Shensi leitet über zu Szechízan, wo schlankere Formen auftreten, ein leichtes Spiel geschwungener Linien in den Abdeckungen, eine mehr anmutige, auch farbige Behandlung der Reliefs und freie Verwendung zahlreicher Motive. In Hunan wird die Wirkung der Tore zu einer hochgemuten, fast übertriebenen Eleganz gesteigert, die Horizontalen spannen sich einzeln und unvermittelt zwischen die Vertikalen. Im Süden, in Kuangsi und Kuangtung, macht sich indischer Einfluß bemerkbar in der Ueberwucherung mit ornamentalem Beiwerk. Das dankbare Motiv des einteiligen oder dreiteiligen Gedächtnistores wird in starkem Relief auch zur Umrahmung von Türöffnungen auf massiven Mauern verwendet, besonders häufig in Hunan und Szechízan. Hier sind die Kanten vieler Glieder und Gesimse oft von kleinen blauen und weißen Porzellanscherben eingefaßt, die im Verein mit den kühn aufwärtsstrebenden Linien der Dachabdeckungen eine festliche Wirkung hervorrufen.

Die Pagoden sind Sinnbilder der buddhistischen Lehre, Leuchttürme des buddhistischen Weltgesetzes. Trotz ihres indischen Ursprungs haben sie eine völlig chinesische Ausbildung erfahren, ja sie sind selbst chinesisch gedeutet als unentbehrliche Bestandteile einer vollkommen chinesischen Landschaft. Dennoch stellen sie in vieler Hinsicht ein fremdesElement dar, das allerdings den chinesischen Geist bereicherte und vertiefte und sich eng mit ihm verband. Die hochragenden, meist massiven Türme stehen im Gegensatz zu allen übrigen Bauanlagen, deren Hauptmerkmal eine geringe Entwickelung in der Höhe ist, dafür eine um so größere in der Grundfläche. Und so eng verwachsen die Pagoden heute mit dem Bilde chinesischer Architektur und Landschaft erscheinen, so stark betonen sie eine Note des Individuellen, die in der Umgebung auffallend und ungewöhnlich ist. Da das Motiv im wesentlichen aus dem Westen nach China kam, so ist das gleichbedeutend mit dem siegreichen Vordringen eines starken individuellen Gedankens, der sich den fernen Osten eroberte. Daß die Chinesen diesen Gedanken so bereitwillig aufnahmen, ja, ihn in die ausgesucht schöne Form ihrer Pagoden gekleidet haben, mag den Beweis dafür liefern, daß ihnen ihre eigene alte Kunst als Ausdruck 'der letzten Ideale nicht genügte, daß sie nach

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