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0018 Baukunst und Landschaft in China : vol.1
Architectural Arts and Landscapes in China : vol.1
Baukunst und Landschaft in China : vol.1 / Page 18 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000203
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man ihnen Altäre und Tëmpel an Wegen, auf Berghängen, in Tälern, inmitten des Reismeeres, in Dörfern und Städten. Ihre beiden Haupttempel erheben sich am entscheidenden Punkt ihrer Wirksamkeit, oberhalb des Durchbruches des Min-Flusses durch den Felsen bei Kuanhien. Der Tempel für Orl Lang ist einer der schönsten von China.

An einer Berglehne, die sich vom Ufer des Flusses steil erhebt, baut sich der ausgedehnte Tempel auf mit Treppen, Vorhöfen und Toren. An einer Anzahl von weiteren Höfen liegen Götterhallen, Wohnungen und Empfangsräume. In der Haupthalle thronen Vater und Sohn. Ein ungemein großer Reichtum von gefälligen Bauformen, von Farbe und Skulptur ist hier überall aufgeboten. Die straffen, aber anmutigen Linien der Dächer und Türmchen ragen heraus aus dem dichten Hain, der den ganzen Tempel erfüllt und umgibt. »Hier strömen die Flüsse, türmen sich Berge, Das Wasser ein Segen, die Berge ein Schutz. / Es ragen die Hallen, es hebt sich der Tempel, Der Geister und Heiligen Paradies. «

Wir wünschen uns Rechenschaft darüber abzulegen, woher jenes Gefühl des ruhigen Behagens, des Gleichklangs in unserer Seele kommt, das wir beim Anblick chinesischer Bauten empfinden. Denn wir genießen nicht nur das Zusammengehen der großen Bauanlage mit der nächsten Umgebung und mit der Natur, mit der wir uns in dem Bilde von Baukunst und Landschaft selbst vereint sehen, sondern wir fühlen, daß auch die Bauten selbst, ja ihre Schmuckformen und Ornamente irgendwie vom lebendigen Geiste der Natur erfüllt sein müssen und nur darum jene Stimmung vollendeten Friedens hervorrufen. An sich ist die große chinesische Halle streng, fast starr gegliedert in senkrechte und horizontale Linien, in die Säulen und in die Gebälke, die Traufen und Firste der Dächer. Doch da die Hauptansicht des Gebäudes nicht wie beim griechischen Tempel die Giebelseite, sondern die Breitseite ist, so erhalten nicht die Giebel, sondern die Dachflächen überragende Bedeutung. Dadurch wurde der Rhythmus der Senkrechten und Horizontalen viel eindringlicher betont, als in unserer Antike. Er erfährt gewöhnlich noch eine weitere Steigerung durch Verdoppelung und Verdreifachung der Dächer. Oft werden sogar noch in einem Zwischengeschoß neue Vertikalen eingeschoben. Die klare Gliederung der großen Linien schuf das Gerippe für den weiteren Schmuck, der dem Gebäude künstlerisches Leben einhauchte. Dieses Leben erzielte man durch starke Auflösung der einzelnen Linien, besonders des Daches in viele kleinste Teile. Die Dachflächen und die Giebel werden reich geschmückt, die Frontwand ist gänzlich in Fenstermaßwerk verwandelt und wie überspannt mit einem Netz feinster Muster. Zum monumentalen Stil gehören die eigenartigen Konsolenreihen, die in den mannigfaltigsten Formen und in einer Unzahl von Einzelgliedern hergestellt werden und die langen Linien der Gesimse völlig auflösen in Lichter und Schatten und Farben.

Das bekannteste und eindrucksvollste chinesische Motiv ist die Schwingung der Linien und Flächen des Daches. Gerade sie verleiht dem Gebäude und der gesamten Anlage Leben und hat einen ausgesprochen künstlerischen Zweck. Bei einfachen Bauten findet sie sich fast gar nicht, in desto edlerer Ausbildung aber bei wichtigen Kult- und Staatsbauten und wird im mittleren und südlichen China zur höchsten Wirkung gesteigert. Was auch immer der technische oder geschichtliche Grund gewesen sein mag, der den chinesischen Architekten dazu veranlaßte, geschwungene Linien und Flächen an den Dächern zu verwenden, jedenfalls ist es sicher, daß die weichen Linien und Flächen in der Fülle, in der sie meist gleichzeitig erscheinen, viel besser mit den bewegten Umrissen der umgebenden Natur, mit Bäumen, Hügeln, Bergen, ja selbst mit dem Himmel und dem Spiel der Wolken zusammengehen, als es starre und gerade Linien tun. Man empfindet in jenem Motiv den Einklang

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