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0015 Baukunst und Landschaft in China : vol.1
Architectural Arts and Landscapes in China : vol.1
Baukunst und Landschaft in China : vol.1 / Page 15 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000203
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oben ziehen die fliegenden weißen Wolken, Bilder der menschlichen Seelen, und vermitteln zwischen Erde und Himmel. Als ich, umgeben von einer lebendigen Götterwelt, vom Gipfel des Hua shan durch jene weißen Wolken herniederblickte auf die Ebene und auf das ferne, blitzende Knie des Gelben Flusses, glaubte ich entrückt zu sein der Erde, befreit von der Fessel des Irdischen, heimisch bei den Geistern des Tao in ihrem leichten Zauberreich.

Der Buddhismus übernahm den Gedanken der Heiligkeit der Berge und schuf sich seine eigenen vier buddhistischenHeiligen Berge, die man auch die »Vier Großen Berühmten« nennt. Sitze der vier großen Bodhisatvas, sind auch sie über das ganze Land verteilt als Wahrzeichen der Lehre Buddhas, als religiöse Leuchttürme, geschaffen und dem Volke dargeboten von der Natur selbst. Die Mitte, der persönliche Buddha, ist nicht verkörpert. Sein Geist erfüllt unsichtbar Erde und Menschheit, aber wirkt gerade dadurch auf jeden einzelnen Menschen persönlich. Erkennbar wird er nur in seinen vier großen Erscheinungen. Die Vierzahl der buddhistischen und die Fünfzahl der altchinesischen Heiligen Berge, beide dem äußeren Bilde der Natur entnommen, doch mit innerem Sinn begabt, schließen sich zusammen zu der Neunzahl, dem Sinnbild tiefer Weisheit.

Der heilige Wu tái shan, ein Hort der Gelben Lehre, des Lamaismus, ist der Berg der fünf Kuppen. Zwischen diesen Kuppen liegt das weite Hochtal mit seinen Klöstern, die sich um eine große weiße Pagode scharen. Die Beziehung der Natur selbst auf die heilige Zahl Fünf wiederholte man unermüdlich an den Heiligtümern, den Darstellungen und Ornamenten des geweihten Bezirks. An vornehmster Stelle schuf man, als Abbilder der fünf Kuppen, fünf Pagoden aus vergoldeter Bronze. Den überströmenden Reichtum auch der geistigen und der religiösen Welt verkörperte man an ihnen in zahllosen Relieffiguren kleiner Buddhas, in die die Flächen gänzlich aufgelöst sind. Und auf einem der gebauchten Körper aus Bronze erscheinen wie ein Niederschlag der bewegenden Kräfte aus der Luft die beiden Drachen, die nach dem Kleinod der Vollkommenheit schnappen, aber durch den Garuda, den Hüter des Schatzes, gehindert werden; ihr Ziel zu erreichen. Das gleiche Bild äußerster Lebenskraft zeigt in Jehol ein Bronzedach. Dort kamen die Drachen wohl durch die Luft geflogen oder entsprangen, gleich achtfach, an Ort und Stelle aus dem Aether selbst und begehren nun vergeblich nach dem Kleinod, das die Spitze des Heiligtums krönt.

Der Gottheit am nächsten fühlt man sich auf der Spitze des Omi shan, des höchsten und heiligsten buddhistischen Berges, der im äußersten Westen Chinas emporragt und schon nach Tibet und Indien hinübergrüßt. Der Gipfel mit seinem Steilabfall von ungeheurer Tiefe ist fast ständig umflossen vom Wolkenmeer. Doch scheinen einmal Sonne, Mond oder Sterne, dann blitzt der angebetete Glanz Buddhas in Myriaden von Lichtern auf den wallenden weißen Wolken, als feste und höchst wirkliche Punkte des Heils und der Verheißung auf dem unwirklichen Nebelstoff, der verschwimmt und unfaßbar zerfließt. »Hier ist es nur ein Schritt zum Himmel.« Vielleicht war es jener Abt, der in einer Halle auf dem Gipfel als Statue sitzt, als ob er lebe, der einst sang: »Die Herrlichkeit ist ausgebreitet auf dem Gipfel des Omi shan. Nun mag noch der helle Herbstmond leuchten, dann lade ich in seinem Lichte die heiligen Geister ein zum Trinken und zum Dichten. Ich will hier nichts hören vom Brausen der wogenden Welt. Ich bin der Abt und halte meinen Stab aus Zink. Ich denke meine Gedanken der reinen Lehre und steige empor in die Lüfte zum Himmel.« In völliger Abgeschiedenheit lebte ich dort oben eineWoche lang mit den Priestern und gewann die starke Ueberzeugung, wie sehr sie sich als Beauftragte des Volkes aus der Ebene fühlten in ihrem Verkehr mit den Göttern, denen sie Gebet und Weihrauch darbrachten und ganz nahe sich wußten, Den gleichen Eindruck hatte ich gewonnen bei einem früheren langen Besuch der buddhistischen Heiligen Insel Ptitó im Oestlichen Meere, wo die Priester in ihrer Weltferne zwar dem Volke und seinem Leben auch weit entrückt, gerade dadurch aber als die berufenen Mittler erschienen zwischen ihm und den Göttern. Jetzt

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