National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Die Buddhistische Spätantike in Mittelasien : vol.2 | |
Postancient Buddhist Culture in Central Asia : vol.2 |
Alle vier Wände der nördlichen Halle waren zum Teil zerstört, so daß es unmöglich war festzustellen, wie die Türen angelegt waren. Die NW-Ecke der Mauer war teilweise abgetragen und hier lag, auf einer Höhe mit der untersten Ziegelschicht der Mauer, ein unregelmäßig abgerundeter, an seinen Rändern sehr roh zugehauene Lotusblätter zeigender Stein von etwa 75 cm Durchmesser. Er war von grünlicher Farbe und stark durch das im Löß enthaltene Salz angegriffen; als er umgedreht wurde, zeigte sich, daß auf der nun sichtbaren Unterseite eine umfangreiche Inschrift in sehr schön gemeißelten chinesischen Kursivbuchstaben angebracht war : es ist die Grabinschrift eines Feldherren mit chinesischen Titeln; das Datum ist leider zerstört.
Dieser Stein muß, seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen, einmal als Sockel für eine Statue oder wahrscheinlicher, als Basis für eine hölzerne Säule gedient haben.
Eine hölzerne Säulenbasis, reich mit fast romanisch anmutendem Schnitzwerk verziert (Chotscho, Taf. 61, Abb. a) lag, ungefähr einen Meter tief nahe dem durch Zerstörung der nördlichen Mauer geschaffenen Eingang und zwar an dessen Ostseite. Außer diesen beiden Sockeln wurde in dieser Halle nichts gefunden.
Die mittlere Halle war am wenigsten zerstört; nur die Nordmauer war zum Teil abgetragen. Die den Raum nach Osten abschließende Mauer war leidlich erhalten und zeigte noch den alten Eingang, der sich wesentlich von den an buddhistischen Gebäuden dieser Gegend angebrachten Türöffnungen unterscheidet. Während nämlich bei fast allen Türen der letzteren die Türpfeiler abgeschrägt sind, so daß sie nach innen ausladen,' verlaufen die Seiten der Türpfeiler hier parallel; ihre Ecken aber sind im rechten Winkel ausgeschnitten, wahrscheinlich zur Aufnahme aufrechter hölzerner Türpfosten. (Später fanden wir, in Qyzil bei Kutscha, dieselbe Art der Türkonstruktion mit eingesetzten hölzernen Eckbalken bei buddhistischen Höhlen, e. g. die Pfauenhöhle, vergl. Grünwedel, Kultstätten, S. 88, Abb. 196.)
Auf der Westseite dieser Halle war vor der ursprünglichen Mauer eine jüngere weniger mächtige Wand aufgeführt worden; die durch diese jüngere Mauer verdeckte Fläche der alten Wand trug noch Reste der ursprünglichen Bemalung.
Im Mittelpunkte der Wand befand sich das bis zur Unkenntlichkeit zerstörte große Bild einer auf einer ganz buddhistisch anmutenden roten Lotusblume thronenden, grün und rot gekleideten, anscheinend schwarzhaarigen Persönlichkeit, mit starkem schwarzen Vollbart, en face gemalt. Diese Einzelheiten waren nur schwer zu erkennen. Weiter nördlich an derselben Wand hatte das Bild eines nach der eben geschilderten mythologischen Persönlichkeit hinblickenden (also nach der eigenen rechten Seite schauenden) manichäischen Hohenpriesters (s. Taf. 1, Abb. a) seinen Platz gehabt.
Es wurde im Augenblick unserer Ankunft (im Jahre 1905) von schätzesuchenden Bauern, die die jüngere Wand zum Teil niedergelegt hatten, herabgerissen und wir kamen gerade zur rechten Zeit, um es von diesen Leuten zu erwerben und die Umstände der Herkunft festzustellen.
Wie die Grabungen der dritten Expedition an dieser Stelle lehren, war an der anderen (südlichen) Seite ein ähnliches, aber mit Attributen eines geringeren Ranges ausgestattetes Hohenpriesterbild dargestellt. Wir halten das Bild nördlich von der Gottheit für eine traditionelle Darstellung Manis, das südlich von der Gottheit für das Bildnis irgend eines anderen Heiligen der manichäischen Kirche.
Im Schutt östlich von dieser Wand, unmittelbar vor den Bildern, wurden einige manichäische Manuskriptfragmente gefunden, darunter ein Blatt, das auf der einen Seite eine Aufzählung des Hofstaates eines uigurischen Chayan, in manichäischen Lettern und mittelpersischer Sprache, auf der anderen Seite eine stark zerstörte manichäische Miniatur aufweist.'
Die diesen Raum nach Süden abschließende Mauer war auf ihrer Südseite mit kleinen, in die große Südhalle hineinragenden, quadratischen Anbauten versehen; hier wurden allerhand Scherben gefunden, aber auch eine interessante Kupfermünze chinesischer Form („cash"), mit einer Aufschrift in soghdischer Schrift. Es ist eine Münze eines (ungenannten) Chagans der Türgisch, die den ersten Jahrzehnten des B. Jahrhunderts angehören dürfte' Sonst blieben die Grabungen in dieser südlichen Halle ganz unfruchtbar.
Unmittelbar an der Westmauer dieser Hallengruppe senkt sich das Gelände und bildet eine Art länglicher Mulde, deren Boden von einer Schicht sehr leicht zerreibbarer Lößerde gebildet wird. In diesem Löß fanden sich unzählige, reich mit langen und feinen Wurzelfasern besetzte, umfangreiche Wurzelstöcke; ihr Gewicht war trotz der Größe sehr gering. Im ganzen machten
1 Dieselben sich nach innen erweiternden Thüreingänge finden sich an den Seitenkapellen des Haupttempels zu Lhasa, vergl. Waddell, Buddhism of Tibet, London, 1919, S. 3oz Sie kommen auch in den alten Tempeln Kaschmirs vor, wo vielleicht der Ursprung der seltsamen Bauweise zu suchen ist.
2 Vergl. F. W. K. Müller, Der Hofstaat eines Uiguren-Königs, Leipzig r912 in Festschrift far Vilhelm Thomsen.
3 Besprochen, mit Abbildung, in F. W. K. Müller, Uigurica II, 5915, S. 95.
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