National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Die Buddhistische Spätantike in Mittelasien : vol.2 | |
Postancient Buddhist Culture in Central Asia : vol.2 |
Die Art der Einordnung in das Buch, zu dem dies Blatt gehört hat, ist durch den auf seiner Innenseite erhaltenen Heft-
oder Klebefalz bestimmbar; er befindet sich 1. an der Vorderseite, r. an der Rückseite.
Die Vorderseite bringt, r. neben dem Falz, einen stark zerstörten Titel (r),1 in manichäischer Zierschrift auf Ultramaringrund
farbig und in Goldblatt ausgeführt, sowie zwei übereinander geordnete Kolumnen Text ( 2 u. 3) in mittelpersischer Sprache; einige türkische Wörter (Namen und Titel) kommen darin vor. Die Zeilen sind gruppenweise abwechselnd in schwarzer und in
scharlachroter Tinte geschrieben.
Die Miniatur dürfte die Mitte des (unzerstörten) Blattes eingenommen haben; r. von ihr setzen sich die Kolumnen fort
(4 und 6). Die untere Kolumne ist, nach der ersten Zeile, unterbrochen von einem schmalen ultramarinblauem Band mit Titel-
Aufschrift in Zierbuchstaben (5).
TAFEL 8a, ABB. a. DIE MINIATUR DER VORDERSEITE. Tiber den Gegenstand der Darstellung wissen wir gar
nichts und sind auf Mutmaßungen angewiesen; unseres Erachtens handelt es sich uni eine feierliche Kirchenfunktion, etwa den Besuch des Uigurenkönigs beim Vorstand der manichäischen Kirche des Landes, vielleicht gar um die Niederlassung eines Mani-Apostels in Chotscho2 oder um ein ähnliches für die Manichäer wichtiges Ereignis.
Das Bild, ganz auf prächtigem ultramarinblauen Hintergrund gemalt, zerfällt in einen oberen und einen unteren Teil oder
richtiger in eine hintere und vordere Gruppe.
In der hinteren Gruppe erscheint als Hauptperson die große Gestalt eines hohen manichäischen Geistlichen im vollen Ornat, der
berühmten „weißen Robe" die in der Kniegegend in koptischer Art mit zwei weiß und blau bestickten, roten, quadratischen Zeug-stücken verziert ist. Eine rote bestickte Schärpe, eine Art Stola, ist über Nacken, Schultern und Arme geworfen und fällt vom linken Handgelenk vorn herab. Der Kopf ist zerstört; man sieht nur noch die Enden eines doppelten schwarzen Spitzbartes und auf der 1. Schulter eine Locke schwarzen Haares. Etwas Goldblatt auf der 1. Schulter und dem Oberarm läßt auf goldene Stickerei oder dergl. schließen' — ob das ebendort erscheinende viereckige rote Stück Stoff ein den an der Kniegegend erscheinenden Aufsätzen analoger Schmuck oder ein Teil der Schärpe ist, läßt sich nicht genau erkennen. Erhalten ist ferner ein Rest des Nimbus; dieser Nimbusrest ist eine rot gemalte und durch feine Striche gegliederte Mondsichel. Die Nimben der höchsten manichäischen Würdenträger bestehen aus Darstellungen einer in ihrem unteren Teile von der Mondsichel eingefaßten Scheibe, die die Sonne versinnbildlicht. Nur in einem Bilde, nämlich dem großen Wandgemälde aus dem Manichäerbau in Chotscho (vergl. Taf. r, Abb. a) sind die beiden großen Lichtkörper als wirkliche Gestirne ohne Konventionalisierung dargestellt; auf diesem Wandbilde erkennt man sofort, daß der Maler die beiden Himmelskörper darstellen wollte. Bei den Darstellungen der höheren Priester auf den übrigen Bildern dagegen ist die Sonnenscheibe nicht ohne weiteres als solche kenntlich; sie ist stilisiert und gleicht eher einer Blume mit großen, einen Punkt tragenden Petalen; auch wird sie in Blau oder Rot dargestellt, nicht in der, strahlendes Licht andeutenden weißen und hellcarminfarbenen Farbe der Sonnenscheibe des Nimbus auf jenem Wandgemälde. Bei den Nimben der höheren Priester ist auch der Mond stilisiert. Kurz, ohne die Bekanntschaft mit dem erwähnten Wandgemälde würde die Erkenntnis, daß die farbigen Nimben der höheren Priester Sonne und Mond darstellen sollen, sich kaum ergeben haben. Unsere Uberzeugung, daß jenes Wandgemälde ein (traditionelles) Porträt des Religionsstifters selber sei, befestigt sich durch diese Feststellungen, denn es ist ganz verständlich, daß man dem Religionsstifter die beiden reinsten Lichtkörper, den höheren Geistlichen aber nur deren stilisierte Abbilder als kennzeichnendes Attribut zuteilte. Wer will, mag aber auch in diesen Mondhörnern Hörner von Tieren, symbolisch verwendet, erkennen.
Zu unserem Bilde zurückkehrend, bemerken wir, daß der Prälat auf den Knieen und Fersen zu sitzen scheint, in der heute noch in Ostturkistan üblichen, dű zánü (p. = zwei Kniee) genannten vornehmeren Sitzart.' Als Unterlage dient ihm ein Teppich mit rotem, geblümtem Rautenmuster auf weißem Grunde, als Rückenstütze ein Aufbau von sechs rollenförmigen weißen, gelb betupften Kissen, über die eine weiße Schärpe herabhängt. Die linke, ungeschickt gemalte Hand, ist lehrend erhoben, mit der R. faßt er die r. Hand des in blau und goldener Rüstung erscheinenden Uigurenkönigs (?). Die Einzelheiten der Bewaffnung und Kleidung des Königs und seiner Ritter sind leider schwer zu erkennen. Der Fürst scheint eine blaue, z. T. vergoldete Rüstung, goldene oder vergoldete Armschienen und über einer blauen Helmbrünne einen vergoldeten Spangenhehr mit roter
1 Titel und Textzeilen folgen unten in Transkription unter den in Klammern verzeichneten Nummern. 2 Vergl. A. v. Le Coq, Ein manicháisches Buchfragment aus Chotscho, in Festschrift für Vilhelm Thomsen, Leipzig, Harrassowitz, 1912, S. 147, Blatt z, Seite 2. | 3 Wenn das Goldblatt, was wahrscheinlicher, nicht zufällig von einem früher gegenüberliegenden Miniaturblatt dort haften geblieben ist. 4 In der Weise des Buddha mit untergeschlagenen Beinen zu sitzen, gilt heutzutage dort für weniger höflich. Diese Sitzart wird „auf vier Knien (ear zanu) sitzen" genannt. |
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