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0088 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 88 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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sah ich immer in der Ferne noch Dutzende von Männern flache Boote über die wellige Eisfläche ziehen und schieben. Die „Rauchwolke" aber sah sich jetzt immer sonderbarer an. Sie ging von der Mitte des 400 m breiten Talgrundes aus, aber nicht von einem Punkte, sondern wie von einem längeren

' Streifen. Und was ist denn dort weiter oben noch? Da fließt ja der Fluß breit über die ganze Talfläche hin ! Bricht denn Hochwasser herein? Dann aber rasch auf die Talseiten hinaus, ehe es zu spät ist ! Ein Rauschen wird hörbar, ein andauerndes gewaltiges Brausen — kein Zweifel, dort poltern mächtige Wassermassen ... Und nun enthüllt sich das Geheimnis : Der ganze Hoang ho stürzt in freiem Fall über die Felsen in den schmalen Längsspalt, in dem ich

den Fluß schon weiter unten im Tale getroffen.

Man hat hier ein ganz eigenartiges Naturschauspiel vor sich. Auf einer

härteren, widerstandsfähigeren Platte im horizontal gelagerten Sandsteingebirge breitet sich der Gelbe Fluß erst weit aus, bespült links und rechts die Felswände, um hierauf von drei Seiten zugleich in einem Fall von etwa 9 m Höhe in eine kleine 15 m breite Kluft zu stürzen (Tafel XVII, XVIII u. XIX).

Um dicke starre Eismassen herum 1) drängen sich die Fluten, oftmals geteilt stürzen sie in den schmalen Spalt. Da und dort sieht man Gletschermühlen sich drehen, tiefe Strudellöcher, Riesentöpfen gleich, daneben. Der Fall zieht sich eine lange Strecke an dem sonderbaren Felsgraben entlang, und es ist schwer, ja fast unmöglich, ein gutes Bild von seiner ganzen Größe und Wucht auf die Platte zu bekommen. Das schönste bot sich mir noch von der rechten Seite aus, es blieb aber auch dort unmöglich, in die Nähe des Hauptfalles ganz oben zu kommen. 600 m mögen kaum genügen für die ganze Ausdehnung des Falles. In freiem Bogen, so daß man darunter durchkriechen kann, schießen öfters die Wassergarben in die Luft hinaus; ein Hexenkessel kocht und brodelt vor dem Beschauer, aber schmierig gelbbraun bleibt trotzdem der ewig schmutzige Geselle, gelb färbt noch der Gischt, der mir ins Gesicht weht.

„Wie heißt ihr den Fall?" fragte ich einen der umstehenden Chinesen, die mir nachgelaufen waren.

„Wasserfall," kam prompt zur Antwort. „Sonst hat er keinen Namen?"

„Lung wang sau 2) oder Lung wang chia," wußte endlich ein etwas Klügerer zu melden, „früher — jetzt weniger — sagte man auch Hu kou dafür."

Auch Hu kou wird schon im Yü kung genannt. Einer der alten chinesischen Kommentatoren des Werkes wußte ja auch, daß in Hu kou der Hoang ho wie siedendes Wasser zische. Ja freilich brodelt und zischt hier der Ho ! Es ist wirklich ein Hu kou , eine Kochtopfklamm 3) (Abb. 6, Tafel XVIII u. XIX).

Die Leute im Ort Lung wang tschen leben von diesem Hindernis. Hunderte von Booten kommen jährlich hier durch und werden etwa einen Kilometer weit auf Walzen um das Hindernis herumgeschleppt. Anfang März jedes Jahres, sowie die Treibeismassen verschwunden sind, die den Fluß zwischen dem Fall

         
         
         
         
         
         
         
     

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  1. Das Eis soll erst im August verschwinden.

  2. Lung — Drache; wang ye = König. Lung wang ye werden meist die Flußgötter genannt; sau oder chia = Wasserfall.

3) Siehe auch Richthofen, China I, Seite 305, Anmerk. Wu =Topf, Kochtopf; kou = Mündung, Kluse. Von einem Hoang ho-Fall war aber vor meinem Besuch noch nichts bekannt geworden.

       

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