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0148 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 148 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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nicht lesen gelernt habe, außerdem sei er Zimmermann und nicht ordinierter Priester. Er erzählte mir nur einmal von „Mafia"); ich bin aber nicht sicher,

ob er damit nicht einen Mann gemeint hat.

Hsiao kiao pan ist, wie die Mehrzahl der Missionsstationen an der mongolischen Grenze, eine Kolonie, eine Art christlicher Musterwirtschaft. Langsam wurden von der Mission größere Länderstrecken angekauft. Diese werden an die Chinesen und Mongolen, an letztere, soweit sie dazu Lust haben, den Bauern zu spielen, gegen einen mäßigen Preis verpachtet. Die ziemlich großen Missionsanstalten können sich hiedurch beinahe selbst erhalten und gleichzeitig wird die junge Christengemeinde enger zusammengehalten, ihre in Gewissenssachen gerne so sehr verschieden und lax denkenden Mitglieder können kontrolliert werden. Die Pères verlangen regelmäßigen Besuch des Gottesdienstes und von den Kindern den Besuch ihrer Schulen und der Kinderlehre. Die Christen werden gehalten, nicht Opium zu rauchen und nicht um Geld zu spielen, die

beiden Hauptlaster der Chinesen.

Innerhalb der burgartigen Umwallung, die eine Höhe von 8 m hat, liegen in Hsiao kiao pan die Kirche, die Wohnung der Pères, große Vorratskammern

für Fälle der Not, Ökonomiegebäude und ein Waisenhaus, in dem ausgesetzte Mädchen eine christliche Erziehung erhalten. Es wird gleichzeitig damit bezweckt, daß die jungen katholischen Männer auch eine Christin als Frau bekommen können. Außerhalb der Umwallung liegen in Hsiao kiao pan ein paar sauber aussehende Straßen mit Lehmhäusern, in denen bei meinem Besuch einige hundert Familien wohnten. Es ist für die Pères nicht leicht und namentlich kostet es bei den Chinesen, die erst als Erwachsene in die Gemeinde eingetreten sind, eine unendliche Geduld, auf den so ganz anders gearteten Stamm das fremdartige Reis der christlichen Religion und Weltanschauung aufzupflanzen. Es muß oft nachgeprüft werden, denn mancher ist ein fleißiger Kirchenbesucher und stellt sich fromm, beichtet auch fleißig, nur um den Genuß des billigen Pachtgütchens nicht zu verlieren; im stillen kotaut er aber am 1. und 15. jedes Monats den Göttern und Geistern wie zuvor und frönt auch ruhig seinem Opium weiter. Es liegt eine große Gefahr darin, nur „Reischristen" großzuziehen, d. h. Christen, die um der leiblichen Fürsorge der Mission willen die geistliche eben als eine unabweisbare Beigabe mit in den Kauf nehmen. In einer anderen Mission — nicht in Hsiao kiao pan und auch nicht in einer katholischen — habe ich später einmal als Gast gewohnt. Mit Stolz hatte mir der Missionar seinen einzigen treuen Christen vorgestellt, den er nun zur Belohnung, wie er sagte, für seine „aufrichtige christliche Gesinnung" zu seinem Torhüter gemacht hatte. In früher Morgendämmerung wachte ich in jenem Hause an einem unaufhörlichen, halblauten Geplapper auf, das aus dem an-

stoßenden Zimmer herüberklang. Auch am zweiten Morgen war das summende Geräusch wieder zu hören. Ich schaute durch eine Ritze in jenen Raum und sah meinen Diener noch schlafend am Boden liegen, der Torhüter aber saß

unbeweglich da und murmelte vor sich hin. Mein Diener wollte später auf meine Frage natürlich nicht mit der. Sprache heraus und gar nichts gehört haben. Als ich aber weiter forschte und gelobt hatte, dem Missionar nichts zu verraten, da erfuhr ich von meinem Mann, der Torhüter bete jeden Tag zusammen mit

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1) Bekanntlich können die Chinesen kein richtiges r aussprechen. 110