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0301 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 301 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Zuschauer waren gut aufgelegt, überall sah man vergnügte, lachende Gesichter. Selten gab es einmal einige Rippenstöße wegen eines besseren Platzes. Eintrittsgeld wurde, wie auch bei den meisten Theatern im Inneren Chinas, nicht verlangt. Es waren in der Hauptsache Tibeter und Mongolen da. Chinesen ließen sich nur vereinzelt blicken. So war es wohl das farbenprächtigste Publikum, das man je irgendwo treffen mag. Mit verächtlichen Mienen sah ich einige in Seide zwar, aber doch weniger farbig gekleidete Tientsin-er Großkaufleute eine japanische Zigarette rauchend durch die Menge stolzieren. Sie fühlten sich sichtlich hoch erhaben über all die Barbaren, die sich so phantastisch bunt anzogen.

Plötzlich ertönten aus der Höhe im Crescendo dumpfe Hornsignale aus langen Kupferposaunen. Man hatte die Hörnerbläser auf dem flachen Dach des im Norden an den Radyien-Hof anstoßenden Du kang untergebracht. Der Kambo, der Klosterabt 1), die Inkarnation Andya se fo, erschien auf dem Festplatz. Dem Zug voraus ging ein Dutzend Polizeimönche, hei ho schang (d. i. schwarze Priester) von den Chinesen genannt. Lange Peitschen schwingend schlugen sie mit wichtigtuerischen Mienen rücksichtslos auf die Zuschauer, die ihnen im Wege standen, so daß ihnen jedermann gerne Platz machte. Auch meine feinen Tientsin-er Herren, die Agenten von europäischen Wollfirmen, die sich kindisch neugierig vorgedrängt und wohl eine besondere Behandlung erwartet hatten, erwischten einige kräftige Hiebe. Hinter den Polizeimönchen schritten mit langen Stöcken zwei Mönche, die in gelben Mänteln steckten und auf dem Kopf hohe gelbe Raupenhüte trugen, wie sie die Mönche innerhalb des Klosters bei feierlichen Aufzügen stets anzuziehen haben. Hinter ihnen folgten in den gleichen Raupenhüten zwei Mönche mit (tibetisch : dugs) langen, oben mit einem Haken versehenen Stangen, an denen sie als eine Art Fahne kleine gelbseidene, ineinander gesteckte Tütchen oder besser Schirmehen trugen; zwei Weihrauchträger, deren 1/2 m lange und dünne Weihrauchstäbchen wie ein römisches Faszienbündel aussahen; zwei Mann mit den kunstvollen Zeptern der rGesku-Lama und zwei Mann, die Weihrauchkessel schwangen. Jetzt kamen die beiden rGesku-Lama selbst, und hinter diesen allen schritt unter einem großen, dreifachen, gelben Schirm der Kambo, der Abt, ein Mann von etwa 30-35 Jahren mit einem gelben Spitzhut auf dem Kopf und ganz . in Gelb gekleidet. Es war ein wirklich schöner und würdevoller Anblick. Dem Abte schlossen sich noch andere gelbgekleidete Lama mit hohen Raupenhüten auf dem Kopf an, endlich noch Diener, die massiv silberne und goldene Gefäße, Weihwasserkannen, Tassen und Gebetsmühlen ihrem Heiligen nachtrugen. Alles erhob sich still und feierlich, als der Kambo den Hof betrat (Tafel LVI). Viele Tibeter stürzten aus der Menge heraus und warfen sich ein über das andere Mal auf

     

1) Von den Hsi ning-Chinesen „fa tai" genannt. Er ist in Gum bum stets eine Inkarnation, wechselt alle 3 Jahre und wurde jedesmal vom Kaiser bzw. vom Pekinger Kolonialamt bestätigt. Nicht jedes Kloster in Tibet hat aber einen Kambo. Der Kambo entspricht deshalb noch mehr dem Bischof unserer kath. Kirche. Er hat stets ein ganzes Gebiet unter sich und beherrscht mehrere Klöster. Der Kambo von Gum bum ist zugleich Herr über 21 Amdo-Klöster.

Die eigentliche Klosterabtswürde ist geteilt. Jedes Kloster hat — wie ich oben sagte — seinen Tscheba, Vorsteher für alle Kulthandlungen, seinen rGesku, Ordner und auch Zensor, der deshalb fast höher als der T`scheba steht, seinen Om dsad, Vorsänger und Musikmeister , seinen bTschang dsod, Intendant , unter dem die Nirba (gnyerba) — Schlüsselverwalter, die Rechner usw. folgen.

   

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