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0263 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 263 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Die Hsië dia, wurde mir versichert, würden aber sicher die Angelegenheit rasch ordnen und alles Verlorene zurückbringen. Auf meine Frage, wer denn die Räuber gewesen seien, hörte ich die allerverschiedensten Angaben. Es scheint danach wirklich noch nicht aufgeklärt gewesen zu sein.

Am 22. Januar war ich wieder in Hsi ning fu zurück. Für den Weg von Dankar nach Hsi ning fu waren mir zehn mit Gewehren bewaffnete Reiter als Eskorte mitgegeben worden. Bei meiner großen Bagage in Hsi ning fu war mittlerweile aus Europa der Ersatz für die Instrumente eingetroffen, die mir seinerzeit in Hu pe gestohlen worden waren. Diese kamen nun doppelt erwünscht, da bei demtberfall am Kuku nor auch einige Reserveinstrumente verloren gegangen waren. Nach mancherlei Irrfahrten waren die neuen Sachen durch die gütige Vermittlung des Schanghaier Generalkonsulats bis an diesen abgelegenen Erdenwinkel dirigiert worden, an dem man damals noch keine Ahnung von Post hatte. Weniger Glück hatte ich in Hsi ning fu mit meinem Koch Liu. Einen Tag nach meiner Rückkehr, nachdem er von mir gehört hatte, ich würde noch einmal nach Tibet reisen , verschwand er bei Nacht, ohne mir ein Wort zu sagen, auch ohne um seinen rückständigen Gehalt und sein Rückreisegeld zu bitten. Noch nach Lan tschou fu — so erzählte mir später Pater van Dyk — kam er wie gehetzt von den Räubern und erzählte dort noch ganz entsetzt von der schrecklichen Kälte am Kuku nor. Der Arme war durch die Schreckensnacht und den Tibeter in seinem Nacken ganz aus dem Häuschen geraten.

Am 25. Januar begann das chinesische Neujahr, bekanntlich die einzigen chinesischen Festtage, an denen alle Geschäfte geschlossen sind. Die Tage zuvor hatte sich deshalb jedermann für eine ganze Woche zu verproviantieren. Dabei war es für mich schwer, einen meiner Hsi ning-Leute zur Unterstützung zu haben oder nur zu Gesicht zu bekommen. Wie die anderen Bewohner der Stadt waren auch sie die ganzen Tage unterwegs, ihre alten Schulden einzukassieren und andere zu bezahlen. Weitaus der größte Teil der Chinesen hat ja keinen Sparpfennig, geschweige denn ein kleines Kapital, fast jeder kommt deshalb des öfteren im Laufe eines Jahres in die Lage, daß ihm das Bargeld ausgeht und er pumpen muß. Die Frist aber, auf welche Schulden abbezahlt werden müssen, ist seit alters der letzte Tag im Jahr. Was nur eine Chinesenfamilie an halbwegs brauchbaren Gegenständen besitzen mag, muß in diesen letzten Tagen des Jahres herhalten, die alten Löcher zuzustopfen. Viele Familienväter kamen deshalb auch zu mir und boten mir irgendwelche Sachen und Kuriositäten zum Kaufe an, j a mancher brachte schon seine Gläubiger und die Gläubiger seiner Gläubiger mit, und kaum hatte ich etwas gekauft, so ging unter diesen das Abrechnen los. Tagelang waren die Pfandhäuser der Stadt bis Mitternacht von Kunden belagert. Wohl dem, der am chinesischen Neujahr Bargeld besitzt!

In der Neujahrsnacht war die Stadt auffallend ruhig. Die Stadt ist zu arm für die lärmenden Freudenszenen, die in Schanghai und anderen Küstenstädten alljährlich stattfinden. Ziemlich selten ging ein größeres Feuerwerk los. Erst gegen Morgen hörte man mehr Petarden, weil in der Neujahrsnacht alle Gespenster losgelassen sind. Nur die Pfandhäuser waren immer gleich belebt. In ihrer Umgebung sah man noch spät in der Nacht Chinesen sich herumtreiben, mancher wehrte sich mit seinen Fäusten gegen einen allzu hartnäckigen Gläubiger, der ihn zwingen wollte, in der eisigen Winterkälte sein

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