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0149 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 149 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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t.

dem Missionar, denn er werde dafür sehr gut behandelt. Er habe es aber jetzt immer mit der Angst. Während er sich früher um seine väterlichen Götter wenig gekümmert habe, bete er jetzt fleißig zu ihnen, denn sonst würden sie ihm am Ende seine Christenläuferei übelnehmen.

Chinesen aus dem Volk haben fast immer irgend einen Fall, den sie vor Gericht austragen möchten, und auch in Hsiao kiao pan suchen viele die Hilfe und den Einfluß der Pères, damit diese ihnen bei ihren Rechtssachen und Streitigkeiten im Ya men helfen. Mit einem tiefen Ko tou nähern sie sich in solchen Fällen und fast täglich bringen einige ihre bis ins feinste ausgesponnenen Intrigen an. Jeden Einwurf, jeden Zweifel wissen die scheinbar ungewandtesten Bauern rasch zu widerlegen. Wer nicht weitgehendste Erfahrung besitzt, fällt sicher herein.

Nicht immer hatte die Kolonie von Hsiao kiao pan so schöne Tage wie bei meinem Besuche. Père Brahm zeigte mir die alte Anlage der Kolonie. Über hundert Jahre ist es her, daß sie von den Franziskanern gegründet wurde. Einige der alten Christenfamilien, die ihres Glaubens wegen aus China vertrieben worden waren, hatten sich hier einst angesiedelt. Lange Zeit lag die Station in einem engen Talriß unweit vom heutigen Platz. In den Löß und Sand, der die weite Ebene bildet und durch den das Tälchen zieht, waren die Wohnungen von Patres und Gemeinde, j a selbst die Kapelle eingegraben gewesen. Unweit der Lößhöhlen wohnte jahrelang eine Chinesin. Sie unterhielt eine Brücke über den morastigen Bach und forderte hierfür von jedem Passanten eineu Kupfercash. Diese Brücke bestand aber nur aus einem Brett und daher nannten die Chinesen den Ort Hsiao kiao pan, Klein-Brückenbrett, wie die Mission heute noch heißt. Ein Pater der Christengemeinde hatte nun eines Tages den Mut, auch solch ein 4 m langes und 1/2 m breites Brett zu kaufen und über den schlammigen Bach zu legen, um seinen Gemeindekindern den Umweg über das viel weiter flußaufwärts liegende Brett und auch die ständige Ausgabe zu ersparen. Daraus entstand ein großer Prozeß. Die Chinesin, eine Witwe, klagte aus Wut darüber den Pater an, er habe ihren Mann umgebracht. Das war natürlich von Grund aus erlogen, aber angeklagt war er, und da er auf sein gutes Gewissen pochte und nicht, wie es landesüblich gewesen wäre, auf die Macht des Silbers, so mußte er schließlich die Reise nach der Provinzialhauptstadt antreten und jahrelang in Hsi ngan fu bleiben, bis die Grundlosigkeit der Behauptung der christenfeindlichen Gegenpartei als erwiesen anerkannt war und er seine Rehabilitierung durchgesetzt hatte. Die Chinesin aber besaß so lange ruhig weiter das Monopol für ihr kleines Brückenbrett.

Als das Jahr 1900 kam, hatten sich neun Europäer und viele hundert chinesische Christen in die Lehmumwallung geflüchtet und sich darin monatelang gegen Hunderte von Boxern und Mongolen, die mit Jingals und Flinten bewaffnet waren, gehalten. Ein belgischer Priester fiel bei der Verteidigung durch Kopfschuß. Mehrmals wurde während der Belagerung der Versuch gemacht, in die Mauer ein Loch zu graben. Nächtlicherweile hatten sich einige Verwegene von außen her in den toten Winkel unter der Mauer geschlichen und mit Hacken und Schaufeln begonnen, eine Bresche zu legen, während ihre Kameraden jeden von der Verteidigung scharf aufs Korn nahmen, der über die Mauer herabschießen wollte. Es fehlte damals der Lehmburg noch an vorspringenden Türmen, von denen aus man die Mauer selbst und den toten Winkel darunter bestreichen

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