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0198 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 198 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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und von vier Deutschen geleitet wurde. Es war aber von den chinesischen Beamten, welche die Aufsicht zu führen hatten, so sehr gestohlen worden, daß der Betrieb schon vor mehr denn zwanzig Jahren als unrentabel wieder auf-

gegeben worden war.

Die Stadt ist vermöge ihrer Lage natürlich auch ein Zentrum des Durchgangshandels. Holzflöße von mehreren Balkenlagen werden bier auf dem Hoang ho aus Tao tschou-Holz zurechtgezimmert. Mehrere Dutzend ganzer Yak-häute, die mit Luft gefüllt sind, werden zu Sackflößen vereinigt, um darauf Wolle und andere Waren, die auf Kamelen oder auf kleinen Fahrzeugen von Tibet herabkommen, den Fluß hinab weiter zu befördern. 1907 gab es acht größere Läden, wo russische Stoffe von sogenannten Tschan tou hui hui — so nennt man in Kan su die Sarten und die Turkistantürken — verhandelt

wurden 1) .

Solange ich in der Provinz Kan su war, hatten die Bewohner gegenüber denen anderer Provinzen auffallend wenig fremdländische Artikel im Gebrauch.

Die Bevölkerung von Kan su ist ganz besonders rückständig. Der Weg zur Küste ist freilich auch sehr weit und umständlich. Dazu hat 1907 die Provinzialregierung noch ein Handelsmonopol für Glas-, Bronze- und Lackwaren eingeführt und Kan su gilt ohnehin für die ärmste Provinz des Reichs des Mitte.

Seine Bilanz soll alljährlich so schlecht ausfallen, daß seit vielen Jahren schon   5
andere Provinzen für sein Defizit aufzukommen haben. Schuld daran sind angeblich die vielen Soldaten, die hier wegen der immer wiederkehrenden Aufstände nötig erscheinen. Der hauptsächliche Grund ist natürlich die Zerstörung und die allgemeine Verarmung, eine Folge der Kriege. Es wurde wohl auch in keiner Provinz so viel gestohlen wie hier ; der Kaiser war zu weit weg. Die Bezahlung der direkten Steuer, der Grundtaxe, geschieht hier vielfach in Naturalien. Zu der Kontrolle der Einnahmen aus dieser Steuer werden noch die urältesten Grundbücher verwendet, während der Bauer selbst auf Grund des neuesten Bestandes seiner Felder besteuert wird. Hierdurch erwerben sich vor allem die Agenten der Ya men große Reichtümer.

Als ich in Lan tschou fu ankam, lebten dort nur wenige Europäer und diese waren nur Missionare. Mein alter Freund, der belgische Père van Dyk, lebte ganz einsam in seiner Mission und begrüßte mich darum besonders herzlich. Ich bezog eine Kamelherberge vor der Stadt ganz nahe der katholischen Mission, so daß wir auch manchmal abends zu einem Plauderstündchen zusammenkommen konnten und keine Stadttore zwischen uns lagen, die hier mit der ersten Dämmerung unwiderruflich geschlossen wurden und Lan tschou und seine Vorstädte in mehrere getrennte Teile zerlegten (Tafel XXXIII). Im Zentrum der Stadt dürfen auch hier keine Mohammedaner wohnen, nur Läden dürfen sie dort halten, müssen aber vor Eintritt der Dunkelheit das Innere der Stadt verlassen haben.

Seit meinem ersten Besuch der Stadt, im Frühjahr 1904, waren große Fortschritte gemacht worden. Der alte, sehr reaktionäre Vizekönig hatte im Sommer 1905 einen Nachfolger erhalten, der in Berlin und Petersburg gewesen war. Dieser hatte Splingaert, den jedem Chinakenner vertrauten Dolmetscher Frei-

1!

1) Die Zahl der russischen Läden war im Zunehmen. Tschan tou hui hui heißt wörtlich Wickelkopfmohammedaner. Diese Bezeichnung rührt daher, daß die Turkistantürken stets mit einem Turban vor den Chinesen erscheinen.

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