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0397 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 397 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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sonderbar aussehenden Diener mitgenommen?" sagte er, sich an Da Tschang wendend.

Weit im Umkreis gilt der Kalkberg für heilig und heilkräftig. Wochenweit pilgern die Tibeter hierher, um für ihre Herden Schutz vor Viehseuchen zu erflehen. „Daß wir unseren Berggeist gut behandeln, ist für uns wichtiger und nutzbringender als eine Reise nach Lhasa, eine Wallfahrt hierher kommt gleich hinter der um den Amne Matschen," versicherte unser Führer. Bei der Wallfahrt haben die Pilger den ganzen Berg Tschégr fisung während dreier Tage zu umkreisen. Sie halten es wie mit anderen heiligen Plätzen. Sie machen immer drei Schritte vorwärts, werfen sich hierauf platt auf die Erde nieder, merken sich genau die Stelle, wo ihre Stirn die Erde berührt hat, erheben sich wiederum langsam und würdig und treten aufs neue drei Schritte nach vorwärts bis an den Punkt, wo soeben ihre Stirne gelegen hatte und so fort. Während dieses anstrengenden Bittgangs (tibet. : skorba), der zu allem hin auf einem abschüssigen Fußpfad gemacht wird, ruhen nie Zunge und Lippen. Unendliche Male wird der Gott dabei angerufen. Am wirksamsten soll dieser Ko tou-Bittgang sein, wenn er in Vollmondnächten ausgeführt wird, dabei sind aber schon mehrere Wallfahrer in die Schlucht gestürzt.

Das Kloster Tschégr fisung selber ist recht bescheiden. Es ist während der letzten Kämpfe mit den ng Golokhs niedergebrannt worden. Wir trafen nur einen alten Eremitenlama darin an. Dieser hatte sich seine Haare zum Unterschied von anderen Lama lang wachsen lassen und trug sie in der Art der Bönbopriester auf dem Scheitel mit einem Band hochgeknotet. Er erhielt von uns Geschenke in Butter und Mehl, weissagte uns aus Würfeln und segnete uns durch Handauflegen. Mein Lao Sung, ein Kue de-Mann, der Abstammung nach ein Chinese, im Glauben aber ein waschechter Tibeter, fiel dreimal vor dem Alten auf die Knie und bat inständig, ihn doch wieder gesund zu machen. Seit mehreren Tagen hatte Sung Fieber und zeigte das Bild eines an schwerem Rheumatismus Leidenden. Ich hatte versucht, ihn mit Salizylpräparaten zu behandeln. Er hatte diese aber weggeworfen, sowie ich ihm den Rücken drehte. Der Lama verkaufte ihm ein Amulett für seine Krankheit und riet ihm, zu einer alten Nonne zu gehen, die in einer Grotte auf dem gleichen Berge ihre Behausung hatte.

Mit einem wahrhaftigen Hexenhandwerkszeug, mit einem Arsenal von Amuletten und Zauberdolchen, aber auch mit einem sehr voluminösen Strickzeug und mit einem Sack für das Mehl und die Butter, die die Bezahlung ihrer „science" ausmachten, erschien diese Tschumo schon mit dem ersten Morgengrauen des folgenden Tages. Sung wurde mit ihr ganz allein in das Dienerzelt eingeschlossen, so daß meine Wißbegier leider nicht auf ihre Kosten kam. Deshalb erklärte ich nach der ersten Frühstückspause, auch ich sei krank und bedürfe ihrer Behandlung. Ich mußte mich jetzt auf Lao Sungs Platz platt auf die Erde legen und die Nonne hockte mit gekreuzten Beinen dicht neben mich. Nie zuvor war mir ein gleich runzliges Weib vor die Augen gekommen. Die eisigen Stürme und sengenden Strahlen Tibets hatten ihre Haut dunkel bronzefarben gebrannt und zahllose tiefe Furchen darein gegraben. Sie hatte sicherlich ein hohes Alter, die letzten Zähne hatte sie längst verloren. Aber schon in ihrer Jugend muß sie nie Wasser auf ihre Haut gebracht haben. Eine Frau soll sich j a auch nicht waschen, sie wäscht sonst alles Glück weg. Alle

 

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