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0258 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 258 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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fragte in seinem gewöhnlichen barschen Tone, ob ich denn nicht tot sei. Dann

befreite er mich und ich erfuhr, daß er, nachdem die Räuber vertrieben gewesen,

drei Pferde gefunden habe, die sich in ihre Fesseln verwickelt und ruhig vor den

Zelten am Boden gelegen hätten; das seien die einzigen Tiere, die mir verblieben

seien. Jetzt müsse man fort. Er habe schon das Nötige gepackt, und da er mich

in der Eile für tot gehalten, so habe er mich verladen, und damit ich ihm nicht

unterwegs verloren gehe, habe er mich auf das Pferd gebunden. Die Diener

selber waren alle noch da und alle heil geblieben. Der Hsië dia war gleich nach

dem Überfall hinter einer Düne hervorgekommen. Er und Tschang drangen auf

eiligsten Rückzug. Sie glaubten fest, es müßten Tibeter aus der Umgebung

gewesen sein, die den Raubanfall gemacht hatten, vielleicht die Männer aus den

Zelten, wo wir den Tag zuvor Besuch gemacht hatten, denn der Hund hatte

ja nicht Laut gegeben.

Ich wollte nun, wenn wir schon fliehen sollten, wenigstens nur in das Fischer-

lager hinüber. Aber auch das fand keine Zustimmung. Wir hatten mindestens

zwei Räuber erschossen, einer lag ja zwischen den Zelten. Wir mußten dieser

Toten wegen die Rache eines ganzen Stammes fürchten; also nur weit, weit fort,

kalkulierten meine Begleiter. Vielleicht sind unter den Räubern gar einzelne

Fischer gewesen ! Wer von uns konnte dies bestimmt verneinen ? Auf keinen

Fall, meinte der Hsië dia, würden uns jene Fischer gegen einen neuen Angriff,

den wohl schon der Morgen bringe, schützen und helfen. Alle Einwände halfen

mir nichts. Die Leute ließen sich nicht halten. Die Denkweise ihrer Landsleute

vorauszuberechnen, mußten meine Begleiter am besten verstehen, darum vor

allem gab ich nach, ließ mich auf mein Pferd heben und begann den Rückzug.

Außer meinem Reitpferde hatten wir noch zwei Lastpferde, die mit den Instru-

menten und dem Allernötigsten beladen waren. Alle Zelte, die Decken und

viele Ausrüstungsgegenstände, darunter manches Unersetzliche, blieben liegen.

Wortlos, lautlos zogen wir ab und zuerst auf den großen See hinaus. In der

Finsternis und mit unseren überlegenen Feuerwaffen war dies das sicherste.

Man konnte dort zeitig bemerken, wenn ein Feind in der Nähe war. Nachdem

wir das Ufer des Kuku nor wieder erreicht hatten, ging es auch weiter noch

direkt südlich. Wir hielten Richtung auf einen ganz fernen Berg, den Amne

Sertschen, dessen Schneegipfel gerade noch in der Dunkelheit zu erkennen

war. Auch den Weg nach Gomba soma, den wir hergekommen, ließ uns der

Hsië dia nicht begehen. Er wollte uns zu den Tschamri-Tibetern führen, die

am Südufer des Sees wohnen. Von dort sollten wir einen Tag später den Grenz-

ort Schara khoto erreichen können. Wir hatten j a keine Ochsen mehr, sondern

nur noch Pferde, mit denen es möglich war, lange Märsche auszuführen.

Bei Nacht auf dem unebenen Eis des Sees gab es gar manchen Unfall. Die

vielen hohen Packeiszüge, die wir zu queren hatten, hielten auf und brachten

öfters die Pferde zum Stürzen, doch kamen wir trotzdem recht rasch vorwärts.

Um 9 Uhr ging der Mond hinter dem Ke tou ya hu auf. Wie bei früheren

Überfällen hatten die Tibeter auch diesmal die dunkelste Nachtzeit ausgewählt.

Das helle Licht, das sich lange vor dem Erscheinen des Mondes hinter dem

Passe ausgebreitet hatte, hatten meine Begleiter erst für ein Feuersignal gehalten,

mit dem sich die Tibeter verständigten. Sie waren noch stundenlang in Todes-

ängsten. Der Schock, den der Überfall verursacht hatte, war auch für alle nicht

gering gewesen.

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