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0399 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 399 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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Höhe ich mit dem Siedethermometer auf 4255 m bestimmte. Die Gipfel aber überragen ihn um 1000 m. Ein ödes Hochtal lag jetzt vor uns ausgebreitet, das kerzengerade nach Nordwesten lief. Gleich dahinter aber erhoben sich neue Gipfelmassen, legte sich uns ein neuer hoher und unabsehbarer Bergwall in den weg. Muldenförmig, wie ein Backtrog, war das kahle Hochtal und als breite rundliche Mulden endigten rings in den Bergen auch die sekundären Schluchten. Alle Gipfel aber zeigten sich über und über mit eckigen Gesteinstrümmern besät, soweit sie nicht von einer Schneedecke eingehüllt waren.

Die Vegetation war erschreckend spärlich. Im Grunde des großen Hochtals sowie in einigen Talmulden breiteten sich Hochmoore aus, die dichtere Rasendecken aufwiesen. Aber diese waren mit Tausenden, nein, mit Millionen von kleinen Wasserlöchern durchsetzt, so daß die an sich schon kümmerliche Pflanzendecke wie von Motten zerfressen und wie ein Sieb sich ausnahm (s. Abb. 17). Alle Pflanzen waren nur 10 cm hoch. Dazu waren wir wieder mitten im Winter. Nur für Augenblicke stieg die Temperatur über den Gefrierpunkt. Steinhart waren die einzelnen Rasenbüschel gefroren und die armen Tiere glitten von den runden Pflanzen-

   höckern fast bei jedem      ~i

Schritte in die halb-meter-, ja oft meter-

tiefen Tümpellöcher, die jetzt im Winter fast

   ausgetrocknet waren    ////e/i/d/40/und nur viele spitze

und messerscharfe Eis- Abb. 17. Schematischer Querschnitt durch einen Berghang mit Nakanadeln aufwiesen. In tümpellöchern. (Die Horizontalstriche bedeuten das Trümpelwasser.)

dem Rasen dieser Hochmoore — die Tibeter nennen sie „naka" — überwiegen Carexarten und die Tiere fraßen deren harte Stengel nur ungern').

Sarông heißt bei den Nomaden das große Hochtal, in das wir nun gekommen waren. Wir schlugen darin am 16. Mai das Lager 21 und am 17. Mai das Lager 22. Beide waren in über 4100 m Höhe gelegen. Da der Marsch über die löcherreichen Naka-Felder die Karawanentiere rasch erschöpfte, so war unser Fortschritt sehr gering. Wenn die Karawane ins Lager gekommen war, legten sich alle Tiere ermattet auf den Boden und erst gegen Abend suchten sie sich satt zu fressen. Einige Pferde hielten sich bei der mageren Kost auffallend gut, andere, offenbar Chinesenpferde, die früher lange Zeit Erbsenfütterung bekommen hatten, wurden zusehends magerer. Von den bei den Ts`anern gekauften Yakochsen blieb am 16. Mai schon wieder einer auf halbem Wege liegen. Die Mannschaft schlachtete ihn an Ort und Stelle nach dem mohammedanischen Ritus und verspeiste ihn innerhalb zweier Tage. Doch war das Fleisch wenig schmackhaft.

Es herrschte im Sarông-Tal eine eisige Grabesstille, als wären wir auf dem Mond und nicht mehr auf unserer Erde. Die Stimmung der Mannschaft war sehr gedrückt und keiner trällerte mehr ein Liedchen vor sich hin.

Sung sagt, er fühle sich besser. Er will noch immer keine europäische Arznei

1) In vielen dieser Nakalöcher finden sich zahllose Eisenbakterien, deren Stoff-

wechselprodukte, Eisenoxydulausscheidungen, sich auf dem Boden der Tümpel in dicken roten Krusten niederschlagen.

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