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0363 Meine Tibetreise : vol.1
Meine Tibetreise : vol.1 / Page 363 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000264
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meter meines neuen Aßmannschen Aspirationspsychrometers, als man an jenem Morgen um sieben Uhr mein Zelt niederlegte. Das Minimumthermometer war in der Nacht bis auf — 11 ° gesunken. In langen Reihen standen neunzig schwarzhaarige Yakochsen, mit ihren Nasenringen und Halftern an langen Wollstricken festgebunden, um mein kleines Zelt herum. Alles war steif gefroren und die langen Haare der Tiere waren über und über mit Reif überzogen. Dichte weiße Nebelwolken hüllten das Tal von Schara khoto ein. Nur im Südwesten der niedere Paß, der uns von der freien Tibetersteppe, von „Kou wei", von „außerhalb der Reichstore" trennte, der lag frei und offen. Ein steifer, kalter Wind pfiff von dort zu uns herab und machte den Morgen noch ungemütlicher. Ringsum lag Schnee. Er knirschte unter unseren Tritten. Aus der weißen Decke ragten nur Steine und ein paar Grasspitzen, da Bäume im Tal von Schara khoto schon ganz fehlen und nur ein paar Buschbestände an vereinzelten, nordwärts und steil abdachenden Berghängen übrig geblieben waren. Schon in Schara khoto umgab mich das öde , wilde , das großartige Hochlandbild, das mich immer wieder mit elementarer Gewalt an sich zieht (Tafel LVIII).

Um die Kräfte meiner Karawane nach Möglichkeit zu schonen, hatte ich mir vier Tibeter und vierzig Yakochsen aus der Nähe von Schara khoto für die ersten Marschtage dazugemietet, vier stramme, hochgewachsene Bengel, die mit ihren störrischen, spitzhörnigen Rindern umsprangen, daß es eine Freude war, zuzuschauen. Im Handumdrehen standen die Tiere beladen da. Irgend ein gleichgültiges, ein sinnloses Wort mit vier Silben begann einer von ihnen zu trällern, und im flotten Takte dieser Silben wurden die Lasten auf die Sättel festgebunden. Ihre Pelzmäntel hatten die Bursche bei dieser Arbeit von den Schultern gleiten lassen, ihre braunen Oberkörper blieben frei dem eisigen Wind und Wetter ausgesetzt, echte „fan tse" des „ts`ao ti".

In fünf großen Haufen zog man kurz nach sieben Uhr ab. Hinter jedem Haufen kamen einige Treiber mit Reservepferden und einigen Maultieren. Die zehn Mann des Hauptmanns von Schara khoto zogen getrennt für sich ihres Wegs. Diese allein gingen zu Fuß und hatten ihre Füße in Sandalen stecken. Sie hatten eine große rote Fahne mit, sowie zwei schmächtige und in der Kälte zitternde Esel, die ihnen ein riesiges, aber zerlumptes Zelt und Kochtöpfe, einige Gabelgewehre und Schwerter nachtrugen. Die Soldatengesellschaft nahm sich erbarmungswürdig elend aus und erinnerte mehr an Marodeure denn an eine kaiserliche Eskorte, die eben ihre Garnison verläßt. Selbstredend hatte jeder einzelne dieser Helden sein Opium bei sich und alle waren von diesem Lebens-elixir derart abhängig, daß sie unterwegs in der Steppe alle zwei Stunden sich niederlegen und eine Dosis rauchen mußten, sonst hätten ihre Beine nicht ausgehalten. Gewiß alles, was man von einer schlagfertigen Truppe verlangen

kann ! In Kan su war es schwer, Leute zu finden, die nicht Opium rauchten. Es wurde in dieser Provinz besonders viel Opium angebaut, der Preis war ganz

außerordentlich niedrig, so daß sich hier jedermann diesen Luxus leisten konnte. Bei der Auswahl der Diener und Begleiter meiner eigentlichen Karawane hatte ich die größte Mühe, keine Opiumraucher mitzubekommen.

Ich hatte im ganzen zehn Mann angeworben, und zwar mohammedanische Chinesen, gewöhnliche Chinesen und einen Tibeter. Etwa die zehnfache Zahl hatte mir ihre Dienste angeboten. Überall in China, selbst in dem leutearmen Kan su, herrschte großer Arbeitsmangel.

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