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Von Land und Leuten in Ostturkistan : vol.1 | |
Land and People in East Turkistan : vol.1 |
AUFENTHALT IN KUM-ARYK
Gewicht verloren und man sah mir die überstandene Krankheit
noch sehr deutlich an.
Die Mutter des Scheich, durch ihren Sohn dort eine angesehene
Frau, der der. Titel „Kuznatsch" (etwa mylady) zukommt (Taf. 21),
nahm sich meiner mit vieler Freundlichkeit, ich möchte sagen,
Liebe, an. Es war eine große magere, zartgliedrige Frau mit leicht
ergrautem, dunkelbraunen Haar und gleichfarbigen Augen, aus de-
nen große Güte leuchtete. In Europa wäre diese Frau, in west-
ländischer Kleidung, nirgendwo aufgefallen.
Sie war faber ebenso klug als gütig und regierte ihre kleine
Familie als mütterliche, aber uneingeschränkte Herrscherin. Das
Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern — und umgekehrt — scheint
bei diesem Völkchen überhaupt musterhaft zu sein. Und die
Stellung jener Frauen guter Familien, die genug Charakter und
Klugheit besitzen, ist oftmals, trotz der erlaubten Polygamie,
viel besser und einflußreicher als sonst im Islam.
Hier bekam ich einen Brief von Herrn Bartus mit bedauerlichen
Nachrichten. Auch er war in meiner Abwesenheit erkrankt und ~
war genötigt, ein paar Tage das Bett zu hüten. ~
Inzwischen war das Verhältnis des Koches Kásim zu der Frau ~
unseres Wirtes Tömür zu einem Ärgernis geworden. Ihr Gatte — so j
unterwürfig sind diese Leute—wagte nicht, gegen den Diener der frem- ~
den Herren aufzutreten, aber sein Groll gegen Kásim wuchs täglich.
Dieser Mann entwickelte sich von Tag zu Tag in mehr und mehr
unerfreulicher Weise und leitete während Bartus' Krankheit eine Verschwörung — kaum ist es zu glauben ! — gegen diesen ein. Die Kyzilleute hatte Herr Bartus entlassen, Kásim aber hatte sich
mit einigen Landstreichern verbündet und diese zu einem Überfall 1,
auf den Kranken beredet.
Bartus schilderte mir im Brief diese Angelegenheit sehr viel i
weniger ernst als sie in Wirklichkeit gewesen war, weil er mich
nicht beunruhigen wollte. Den weiteren Verlauf erfuhr ich erst
viel später mündlich von Bartus selber und von Tömür und dem
Aksakal oder Schulzen von Kyzil.
Als Bartus eines Nachts zu Bett lag, hörte er in der nahen Lehm-
wand ein eigentümlich knirschendes Geräusch. Er dachte sofort
an mein Abenteuer 1.905 in Daban-tsching, wo Diebe durch ein
in die Lehmwand geschnittenes Loch eingedrungen waren, und paßte '
nun mit allen Ohren auf.
Den Browning hatte er neben sich liegen, schnell gürtete er ihn
um, zog leise die Stiefeln an, ergriff seine große Peitsche und wartete
der Dinge, die da kommen sollten.
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