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Sprichwörter und Lieder aus der Gegend von Turfan : vol.1 |
EINLEITUNG.
Der Aufenthalt meiner Expedition in Qara Chôdscha 1) währte vom 18. November 1904 bis zum 1. August 1905. Während dieser Zeit war ich durch die Geschäfte der Expedition in so hohem Grade in Anspruch genommen, daß ich sprachlichen Studien nur wenig Aufmerksamkeit widmen konnte: es wurde von fünf Uhr morgens, mit einer halbstündigen Teepause um die Mittagszeit, bis zur sechsten Abendstunde auf den Ruinen gegraben, dann genossen wir unsern „palao", buchten die Funde, empfingen die (unerbetenen) Gäste, erledigten Briefschaften und stellten die Tagesausgaben zusammen.
Nur selten bot sich die Gelegenheit, mit einem „mûllâ", d. h. mit einem Manne, der lesen und schreiben konnte, ein Buch zu lesen oder ein Diktat aufzunehmen. Ich transkribierte indessen allmählich ein vollständiges Exemplar des „lt-kitâbi" 2) sowie eine Anzahl Briefe und öffentliche Bekanntmachungen der chinesischen Behörden, endlich die hier veröffentlichten Lieder. So gewöhnten sich Ohr und Zunge an die Laute der Sprache. Der tägliche, ununterbrochene Verkehr mit Eingeborenen jeden Bildungsgrades zwang zur unausgesetzten Anstrengung, und alsbald lernte ich zu sprechen und, später, auch zu verstehen.
Von großem Nutzen war mir dabei eine gewisse Kenntnis der osmanischen Sprache, welche ich einige Zeit unter der Leitung des Prof. K. Foy studiert hatte, von noch größerem Nutzen aber waren mir einige Privatissima, in welchen Prof. M. Hartmann mich einen von ihm aufgenommenen ost-türkischen Text lesen ließ und diese Lektüre mit Exkursen aller Art begleitete.
Dieser lebendigen Einführung verdanke ich, daß ich mich schneller in die Landessprache hineingefunden habe, als es sonst möglich gewesen wäre; es sei mir vergönnt, Herrn Prof. Hartmann hier meinen wärmsten Dank auszusprechen.
Endlich sei erwähnt, daß ich die Grammatik und das Wörterbuch von R. B. Shaw mit mir führte; ich verdanke besonders dem Wörterbuch viele und wertvolle Hilfe. Wenn auch in beiden Teilen der Arbeit manches nicht ganz richtig sein mag und besonders im Wörterbuch der Mangel einer einheitlichen Transkription stören muß (auch manche Wörter ohne Zweifel falsch gehört und entsprechend aufgenommen worden sind), sollte man doch diese, ohne Vorarbeiten geleistete Schöpfung, hochschätzen; sie war eben bahnbrechend.
Der in der Gegend von Turfan geredete Dialekt unterscheidet sich nicht wesentlich von dem des Ili Tales, welchen Radloff als „Dialekt der Tarantschi" bezeichnet. Es muß indessen erwähnt werden, daß im Turfaner Dialekt die Vokalharmonie oftmals ganz auffallend vernachlässigt wird und daß ferner zuweilen so fremdartige Konsonantenverbindungen wie dong-rä auftreten können. Eine bedeutende Verschiedenheit zwischen den Dialekten von Turfan und von Kutsch habe ich nicht festzustellen vermocht, abgesehen von mancherlei Abweichungen im Wortschatz und, was wichtiger ist, von den in Kutschâ vorkommenden Partizipialformen auf mi. , m'is, Anus; diese Formen sind in Turfan ungebräuchlich und werden dort von Frauen und Kindern schwer oder gar nicht verstanden. Die Ostgrenze dieser Formen ist angeblich Bügûr (das Bugur der Karten).
1) Flecken, etwa 70 li s. o. von Turfan. 2) Türkische Übersetzung der chinesischen Gesetze.
BAESSLER-ARCHIV, BEIHEFT I: v. LE COQ, Sprichwörter etc. aus Turfan. 1
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