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0014 Sprichwörter und Lieder aus der Gegend von Turfan : vol.1
Sprichwörter und Lieder aus der Gegend von Turfan : vol.1 / Page 14 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000281
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2   Einleitung

Mit Leuten aus Aqsti, aus Kaschgar, Yarkänd und Chôtän bin ich nicht in genauere Be-

ziehung getreten.

Der Vulgärdialekt von Qômul weicht nach den wenigen Beobachtungen, die mein leider

zu kurzer Aufenthalt in dieser Stadt und Gegend mir zu machen erlaubte, am meisten von der gesprochenen Sprache der anderen mir bekannten Landesteile ab; es werden nicht nur viele andernorts ungebräuchliche Wörter verwendet, sondern auch das Verbum scheint wenigstens im Präsens und im defektiven Optativ (Shaw) in merkwürdiger Weise konjugiert zu werden. So sagt man

in Turfan   in Qômul

Präsens

1. S. q'ilimän 1. Pl. gïl'fmïs

1. Pl. qïlïnt 1. PI. kätini

def. Optativ

gïl'id'imâ (scharf nasaliertes ä) q'ilïdtbis

bis gïlai-nïrig bis kätäi-ning

Die ersten Tage nach unserer Ankunft in Qômul brachten wir in einem Landhause des Wang, dem etwa 11/2 km im N.W. der Stadt gelegenen car bar zu: von Astâna aus war der Wang von unserm Kommen unterrichtet worden und sogleich hatte er einige Leute des Hofgesindes abgesandt, um uns in jene Wohnung zu geleiten. Die Bevölkerung wich uns zunächst in auffälliger Weise aus und zufällig angetroffene Personen verweigerten jegliche Auskunft auf Fragen, die ich an sie richtete; nach unserer Audienz im ôrdâ („Hoflager") und dem alsbald erfolgten Gegenbesuch des Wang wurden die Leute aber zutraulich und mehrere Mullas boten mir ihre Dienste an.

Alsbald unternommene Grabungen in Aratam (im Gebirge im Norden der Stadt) nahmen die nächsten Tage in Anspruch: dann aber erreichte mich das Telegramm, das mich nach Kaschgar rief und beendete auf einmal den Aufenthalt in jener Stadt und die geplanten Sprachaufnahmen.

Die Sprichwörter haben ein nicht unbedeutendes ethnographisches und kulturhistorisches Interesse; einzelne decken sich wörtlich mit afghanischen Sprichwörtern (cf. z. B. Nr. 263 dieser Sammlung und Nr. 29 S. 250 in Thorburn, „Banne, or Our Afghan Frontier", Trübner, London, 1876); eines wenigstens, Nr. 153, weist auf eine indische Quelle, das Pancatantra.

Die Lieder stammen aus Qara Chôdscha; sie sind mir teils von Mämäsit Mirap, teils

von einem „mulla” namens ôbû'l mäxdï (Scag 1 y41) diktiert und auch von ihnen niedergeschrieben worden,

Diese Lieder beschäftigen sich durchweg mit der Liebe oder, seltener, mit religiösen Dingen; ein einziges Spottlied wurde mir in èïgtïm kâriz (auf dem Wege nach Qbmul) diktiert. Es ist das schon von Grenard 1) (leider ohne Umschrift) in einer anderen Redaktion mitgeteilte Lied von Mâmût xàn. Kriegslieder habe ich trotz vieler Umfragen nirgends finden können. Die Singweisen einiger der Lieder wurden mit dem Phonographen aufgenommen und befinden sich jetzt im Psychologischen Institut in Berlin.

Die Rechtschreibung ist willkürlich; auf die vorkommenden Sonderbarkeiten gehe ich nicht ein, da sie sich aus der Vergleichung des in arabischen Lettern geschriebenen Textes der Urschrift von selbst ergeben; ich bin bei der Niederschrift der Transcription nur dem

1) Dutreuil de Rhins, Mission scientifique dans la haute Asie, 3ième partie; Histoire, Linguistique etc., par F. Grenard, pag. 101. Paris, Leroux 1898.