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Alt-Kutscha : vol.1 | |
Ancient Kucha : vol.1 |
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steht." Der Bodhisattva antwortete: „Was hast du getan, als du, Betörter, im Elend des Samsâra dich noch herumtriebst? Was war es, weswegen dieses eiserne Rad unter sprühenden Flammen auf deinem Haupte kreist?" Der Mann sprach: „Viel Unheil zeigte mir die Schicksalsgöttin, die den Kreislauf mir erscheinen ließ; durch meine Anhänglichkeit in ihrer Tätigkeit gebunden, hatte sie nur den Wunsch, mir nach dem Besserwerden den Frieden geben zu können; sie ist es, welcher die Weisen auf Erden den Beinamen edelstes Ziel der Menschheit geben. Das Schicksal wollte es, o Guter, daß ich, belastet durch etwas mir Verwehrtes, an meiner Mutter mich schwer verging; ich, dessen ganzes Wesen Bosheit war, trat auf den Kopf meiner Mutter. Darum kreist auf meinem Haupte das Rad aus Eisen mit sprühenden Flammen." Die Wendung auf ihn, die jener Mann ausgesprochen hatte, traf das Herz des Bodhisattva Maitrakanyaka, und sich überlegend, wie er davor sich am besten schützen könnte, sprach er zu sich: „Einem andern will ich Tor meinen Schutz angedeihen lassen und nun ist er es, der mich, ohne es zu wissen, tadelt; wie, trage ich denn schon für die Außenwelt ein Zeichen, wie schuldbeladen ich selbst bin, ja, auch ich, ich elendiger Mensch, habe dies Verbrechen an meiner Mutter begangen bei einer Sache, die ich hätte beachten sollen. Um der Gefahr zu entgehen, das zu ernten, was mir aus dieser Sünde reifen würde, bin ich über das Weltmeer gefahren."
Kaum hatte er dies gesprochen, erhob sich ein fortdauernder, tiefer Ton von Donner einer regenschwangeren Wolke, die aus einem Himmel kam, der so klar war wie ein junges, eben entfaltetes Lotusblumenblatt.
„Warum sieht der Mann, dessen Auge die Welt auf sich fesselt, nicht, wie mächtig bei allen Geborenen das Karman wirkt, und ihre Schlinge reißt ihn mit sich; gebunden durch das, was sie umgibt, durch die Kette des Elends an ein furchtbar eisernes Schicksal, mißachten solche in ihrer Blindheit das Wort einer ehrwürdigen Person und nehmen ihr Unglück als Zuflucht; gelöst daraus, wenn Schicksalsschläge heroengleich ihre Elendsketten brachen, erreichen sie wohl ein Menschendasein, bleiben aber völlig betört, fern vom Erwachen!"
Kaum hatte er dies gesprochen, so sprang, wie durch den Sturm seines Karman getrieben, das Rad, furchtbar durch Ausstreuen sprühender Brandmassen, von dem Kopfe jenes Mannes über auf das Haupt des Bodhisattva Maitrakanyaka und begann zu kreisen, um ihn zu zermalmen. In einem Augenblick rötete sich durch Blutströme, die vom Scheitel herabschossen, der ganz davon überronnene Kőrper, wie der hinsinkende Leib des Elefanten, wenn ein Wurfgeschoß sein Haupt gespalten hat. Und während Bodhisattva Maitrakanyaka Hah! Hah! rufend zusammenzuckte infolge des fürchterlichen, den Kopf zermalmenden Schmerzes, rief der Mann ihm zu: „Was dir herzliche Freude bringen konnte, die Orte, die herrlich
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waren durch die Lieder der Götterfrauen, hast du verlassen, nun koste, was du dir als Schicksal geschaffen hast, aus; du hast nun das Äußerste erreicht, den Ort endloser Qual. Wer wäre wohl so, daß er, wenn er die Wohnungen der Götter erreicht hat, in denen er unter unvergleichlichen Schönheiten himmlische Reize genießen kőnnte, Wünsche hegen nach dem Abgrund der Hölle, deren Flammenzungen nie erlöschen?" Der Bodhisattva sprach: Wälder voll von Lockrufen munterer Gefährten, Wälder, in deren Wipfeln Blüten sich entfalten, verlassen die Elefanten und ertragen den Verlust; so hat auch mich mein Wille wie eine Liane hierher mitgeschleppt. Ihre Königreiche, strahlend von Besitztümern und lotusaugigen Frauen, verlassen die Helden und sterben in der Schlacht, so hat auch mich mein Wille wie eine Liane hierher mitgeschleppt. Wie Menschen zur Vollendung, zur Erreichung der heiligen Wonne der Götter gelangen, das Erfassen der Seligkeit bis zum Ende ohne Leiden, ist der Inhalt der Gelübde großer Asketen, so hat auch mich mein Wille wie eine Liane hierher mitgeschleppt. Wer wird solchen von jedem Leid befreiten Asketen den Staub der Füße auf das Haupt bringen, Leuten die aile Abgründe des Hoffons schrecklich wie beißendes Gift durch viele Leiden überwunden haben? Welcher Schmerz wäre so übergroß, welches Unglück S I der Ausgangspunkt von Jammer aller Art, daß es weiter wirken könnte bei denen, deren Seelenzust +nd fern-steht, vom Giftfeuer der Gier gepeinigt zu sein? Und dann, o Freund, mein Schicksal hat mich fortgerissen, und so weile ich jetzt in der Ferne; aber es zieht die Frucht des Karmans uns im Leben dahin, wo sie sich ihnen bieten kann; wieviel tausend, wieviel hundert Jahre wird dies flammende Eisenrad auf meinem Haupte sich drehen?" Der Mann antwortete: „Sechzigtausend Jahre, sechzighundert Jahre wird dies flammende Rad auf deinem Haupte sich drehen." Der Bodhisattva antwortete: „Dies Rad, das leuchtende, gelbe Spitzflammen in Masse sprüht, wer wird es dann tragen kommen? denn wenn es mich zermalmt hat, wird doch wieder ein anderer kommen." Der Mann sagte: „Wer jetzt an seiner Mutter frevelt und dann kommen wild, auf dessen Haupt wird das Rad sich drehen, wenn es deines verlassen hat." Da sprach der Bodhisattva, dessen Herz litt durch den schrecklichen Schmerz seines brennenden Hauptes, indem er gedachte dessen, was er alles aus Mitleid so vielen Lebenden erwiesen, zu dem Manne also: „Alle verehrungswürdigen Büßer die schon im Himmel wohnen, längst völlig Sieger über die umhüllende Blindheit der angeerbten Gier, alle die edlen Unsterblichen in Scharen in strahlenden Kronen und mit funkelnden Ketten und Armbändern mögen es hören! Wenn mein Vergehen an meiner Mutter ein Rad erschüfe rotgelb durch die flammende Glut, so groß wie die ganze Welt, so würde dies mich doch nicht davon abbringen, das Heil der Lebenden zu fördern; ich würde beharren, es zu ertragen eine Myriade von Jahren, ja ein Weltalter
Grünwedel, Alt-Kutscha
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