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0180 Alt-Kutscha : vol.1
Ancient Kucha : vol.1
Alt-Kutscha : vol.1 / Page 180 (Color Image)

Captions

[Figure] Fig. 53. Daniel in the lion hole, Kunstgewerbemuseum, Berlin, from Ch. Diehl, Manuel d'Art Byzantin, Paris 1910, p. 79.Daniel in der Löwengrube, Kunstgewerbemuseum, Berlin, nach Ch. Diehl, Manuel d'Art Byzantin, Paris 1910, S. 79.

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doi: 10.20676/00000192
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vorkommende Erzählung, wie der Bodhisattva als Häschen einem hungernden Brâhmana sein Fleisch bietet, indem er ins Feuer. springt, ebenso die parallele, weniger oft vorkommende Erzählung von der Taube, welche sich in ähnlicher Weise einem hungernden Vogelsteller hingibt. Wenn wir nun aus der indischen Anschauung heraus an mancherlei alberne Erzählung von Tieren, welche sich hinopferten, um einem Verschmachtenden durch Darbietung ihres Blutes oder Fleisches Unterhalt zu gewähren, gewohnt sind, so übersteigt das in diesen Legenden Gebotene alles Maß und läßt auf Einflüsse schließen, welche nicht indischen Ursprungs sein können. Denn neben der harmlosen echt indischen Erzählung vom Affenkönig (Mahâkapijâtaka), welcher, um seine Untertanen vor dem, verfolgenden Jäger zu retten, eine sogenannte Affenbrücke bildet, indem er mit den Hinterbeinen an einem Baum des einen Ufers eines Flusses sich anhängt und so schaukelnd mit den Händen einen Baum des andern Ufers erfaßt, damit die Verfolgten über ihn, der unter ihren Tritten den Tod leidet, sich retten können, erscheinen auch ganz widersinnige Dinge, in denen die Aufopferung von Blut und Leben geradezu zwecklos ist. Am seltsamsten wirkt die Darstellung der folgenden Legende: Der Bodhisattva trifft eine Frau mit einem verschmachtenden Kinde. Aus Erbarmen mit dem leidenden Säugling strengt der Heilige alle durch seine Tugendverdienste erworbenen Kräfte an, und durch die übernatürliche Macht der Liebe und des Mitleids gelingt es ihm, daß ihm milchspendende Brüste aufwachsen, so daß er das Kind nähren kann. Soweit ist die Erzählung leidlich vernünftig für den Rationalisten und als ein auch sonst viel beobachteter Vorgang, das Austreten von Fett aus der männlichen Brust, erklärbar. So kommt die Erzählung auch in Indien vor. Unter den Wundertaten des Siva wird eine ganz analoge in Südindien gefeiert, welche ihm den Tamil-Namen Tâyumânavar, „der auch eine Mutter geworden ist", eintrug. Ein berühmter Tempel der Form des Gottes unter diesem Namen ist noch im Felsentempel von Srisailapura. Wenn es nun, nebenbei gesagt, beachtenswert ist, daß hier wieder eine §ivaitische Legende mit einer Bodhisattvalegende

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zusammenfällt, so ist im vorliegenden Falle noch besonders merkwürdig, daß die indische brâhmanische Fassung noch in ihrer heutigen Form vernünftiger ist als die buddhistische, welche unsere alten Höhlen bei Kutscha mehrmals enthalten. Dort genügt nämlich dem Bodhisattva seine wunderbare Kraft, dem Kinde Milch spenden zu können, nicht, sondern — und hier liegt offenbar der Einfluß anderer blutrünstiger Legenden vor — er schneidet sich die Brust ab und bietet sie dem Kinde dar! Es ist, denke ich, ganz klar, daß die einfache, auf ein mißverstandenes Naturphänomen fußende Legende in einen Zusammenhang

Fig. 53. Daniel in der Löwengrube, Kunstgewerbemuseum, Berlin, nach Ch. Diehl, Manuel d'Art Byzantin, Paris 1910, S. 79.

gebracht ist mit Erzählungen, in welchen der Bodhisattva seinen Kopf, seine Hände, seine Füße, seine Augen, kurz alle Teile seines Körpers einzeln opfert, um einem Akt des Mitleids zu genügen. Diese ganze Art des Wühlens im Blut ist aber unbuddhistisch, ich möchte fast sagen, sogar unindisch, sie weist absolut auf Vorderasien. Wir haben also zweifellos Darstellungen von blutigen Kultgebräuchen vor uns, welche die sämtlichen Sinnesorgane eines menschlichen Schlachtopfers zur Erreichung übernatürlicher Kräfte verlangen. Eine Reihe dieser Legenden sind in den N. von Indien gelegenen Gebieten lokalisiert.