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0011 Chotscho : vol.1
Chotscho : vol.1
Chotscho : vol.1 / Page 11 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000194
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EINLEITUNG.

DIE REISE.

Nach Empfang der Summe, die mir zur Bestreitung meiner Expedition zugewiesen worden war —sie belief sich auf M.32.000 —t wurden die notwendigen Ausrüstungsgegenstände so schnell wie möglich eingekauft und verpackt, eine Arbeit, die wir in etwa 8 Tagen vollenden konnten.

Die Expedition verließ Berlin am 12. September 1904. Das nächste Reiseziel war St. Petersburg, wo wir den russischen Akademikern unsere Aufwartung machten und uns, d. h. den Verfasser und seinen Begleiter, den Techniker Herrn TH. BARTUS, auf der Deutschen Botschaft vorstellten. Von dort ging es nach Moskau, von wo aus wir mit dem Luxuszuge der sibirischen Bahn in fünf Tagen nach Omsk gelangten. Wir hatten das Glück, den am Nachmittag des Tages unserer Ankunft von diesem Ort stromaufwärts abgehenden Dampfer noch zu erreichen, und landeten, nach einer fünftägigen Fahrt auf dem Irtysch-Strom, am 29. September in der letzten Dampferstation Ssemipalatinsk. Hier mußte die Ausrüstung vervollständigt und Transport gemietet werden, eine Aufgabe, die wieder einige Tage in Anspruch nahm. Da man von Ssemipalatinsk mit der russischen Post nach der chinesischen Grenze reist, war es nötig, eigene Wagen anzuschaffen, um dem zeitraubenden Umladen auf den Poststationen vorzubeugen; wir kauften daher einen Tarantass für uns selbst und zwei Telcgas fdr unser zahlreiches und schweres Gepäck. Ein junger Deutschrusse aus der Gegend von Ssamara, den wir zufällig getroffen, wurde als Diener angestellt; dieser junge Bauer bewährte sich nicht, da er träge war: seine Kenntnis des Russischen aber war uns in den kleinen sibirischen Städtchen, die wir zu passieren hatten, von großem Nutzen.

Obwohl wir uns so sehr beeilt hatten, vorwärts zu kommen, als es die Verhältnisse zuließen, war doch in Folge der durch mancherlei Vorgänge verspäteten Abreise von Berlin die kalte Jahreszeit näher gekommen als wünschenswert war; wir mußten daher Anstrengungen machen, um möglichst bald die chinesische Grenze zu erreichen. Wir verließen Ssemipalatinsk am 2. Oktober, legten die ersten zehn Stationen bis Ssergibpol bis zum 4. Oktober und die übrigen elf Stationen bis zum B. Oktober zurück. An diesem Tage nächtigten wir in dem russischen Grenzort Bachty; endlich am 9. Oktober langten wir in Tschugutschaq im chinesischen Distrikt Tarbagatai an. Diese Strecke so schnell zurückzulegen, gelang nur dadurch, daß wir — wo es möglich war, Pferde zu erhalten — auch des Nachts reisten ; da die Verpflegung nur aus Brot und Tee und hier und da einigen Eiern bestanden hatte, kamen wir ziemlich ausgehungert in Tschugutschaq an. Hier wurde die Karawane nach Urumtschi zusammengestellt, wobei der russische Konsul, Hcrr SOKOFF, uns mit großer Freundlichkeit behülflich war. Nachdem wir die chinesischen Behörden besucht und die Pässe zurückempfangen hatten, was wieder eine lange Zeit in Anspruch nahm, konnten wir am 17. Oktober nach Urumtschi aufbrechen.

Leider waren die Telegen zu schwer geladen für die recht schlechten Pferde, und da die kirgisischen Kutscher die unbehülflichen Wagen fortwährend zum Schaden unseres Gepäcks umwarfen, sah ich mich genötigt, in der nächsten Station, Dörböldschin, Reitpferde für uns zwei Europäer zu kaufen und unseren Tarantass als Lastwagen zu benutzen.

Von Dörböldschin aus führt der Weg allmählich aufwärts in ein ödes und unfruchtbares Gebirge; die Verpflegung bot große Schwierigkeiten — es gab nur Tee und Brot — und so waren wir froh, nach Überwindung des schlimmsten Teiles der Route am 25. Oktober in Schicho einzutreffen. Hier bekamen wir zum ersten Male wieder warme Speisen in einem zwar sehr schmutzigen, aber doch gegen die bereits empfindliche Nachtkälte einigen Schutz gewährenden Serai.

Endlich erreichten wir am 2. November die äußerst malerisch gelegene Stadt Urumtschi (Orümtschi, Ti-hoa); der kleine auf steiler Klippe am Fluß gelegene chinesische Tempel Hung-miao-dzu im Norden der Stadt, einer der romantischsten Orte im ganzen Lande, leiht der Stadt zuweilen seinen Namen.

Diese Reise war äußerst anstrengend; da die russischen Beamten uns sehr eindringlich vor kirgisischen und mongolischen Räubern gewarnt hatten, hatte ich das Geld der Expedition, meist russisches Gold, in eine Anzahl Ledertäschchen verpackt und diese unter den Kleidern auf der Brust verborgen. Der Druck war aber so unerträglich, daß ich am fünften Tage genötigt war, mich der Last zu entledigen; an den Folgen dieser gewalttätigen unfreiwilligen Massage habe ich sehr lange leiden müssen. Von den Mordbrennern, von denen wir in Tschugutschaq so viel gehört hatten, sind wir aber nicht belästigt worden — die einzige Spur ihres Vorhandenseins war eine Kirgisin, die sich mit ihren zwei kleinen Kindern auf eine der Stationen (Yamatu) geflüchtet hatte; ihr Mann war Tags zuvor von Räubern erschlagen worden.

In Urumtschi, dem Sitz des chinesischen Gouverneurs (Hsün-Fu, Fu-Tai) waren wir die Gäste des russischen Konsulats, das damals von Herrn BonROwateoFF, später von Herrn Dr. KOCHANOWSKIJ verwaltet wurde. Beide Herren haben uns mit Freundlichkeiten überhäuft und besonders Herr Dr. KOCHANOWSKV hat nach Herrn BOBROWNIKOFF's Abreise die Expedition mit Rat und Tat in der liebenswürdigsten Weise unterstützt. Nach den üblichen Förmlichkeiten, unter denen ein feierliches Mahl bei dem Fu-Tai mir als erste Begegnung mit dem von alter Kultur durchtränkten Zeremoniell China's besonders lebhaft im Gedächtnis geblieben ist, verließen wir Urumtschi am 13. November mit einer neuen Karawane, und zogen über den Pass von Daban-tsching nach Turfan. Auf diesem Wege liegt, nahe der Station Sai-yo-pa, nördlich von Daban-tsching das einzige prähistorische Denkmal, das mir in Turkistan aufgefallen ist: es besteht aus zwei Monolithen und einigen tumuli 2 Wir trafen am 17. November in Turfan

t Außer diesem Betrag erhielt ieh spite, noch einmal M. 10.000 —, also im ganzen M. 42.000. Von dieser Gesamtsumme wurden etwas mehr al, M. 15.000 (Sr den Transport der Kisten mit den Resultaten verausgabt. e Eine Abbildung Hader sich in DONNER, Resa i CeetrubAsirn, Helsingtors 1901.

ein und ein weiterer Marschtag brachte uns am Mittag des 18. November zum Ziele unserer Reise, nach dem Doppelflecken Astäna—Qara-Chödscha, der modernen, unmittelbar an der Nordmauer der zerstörten alten Landeshauptstadt Chotscho (Idiqut-Schähri, Dägiänûn, Apsüs) gelegenen Siedelung türkischer Bauern, Handwerker und Händler. Wir mieteten uns in dem in die alte Stadtmauer eingebauten Hause des Bauern Saut (ttibit) ein und begannen alsbald unsere Arbeiten.

Gearbeitet wurde in a) Chotscho selbst, b) in Tschyqqan Köl, c) in der Schlucht von Sängim (Sängim Agh ïz), d) in Murtuq, e) in Toyoq, f) in Bulayïq, g) in Kitschik Assa Schähri, h) im Yär-Gholi. (Die Schilderungen dieser Grabungen werden, soweit sie für diese Veröffentlichung in Betracht kommen, unter den entsprechenden Titeln folgen; hier soll zunächst der Reisebericht zu Ende geführt werden).

Die Grabungen in Chotscho beschäftigten uns vom November bis zum Februar. Professor GRONwenEL hatte mir eine Anzahl von Spezialarbeiten anbefohlen, deren Ausführung reichliche Arbeit, leider aber nicht den erwarteten Erfolg brachte. Besonders waren es die Ruinen a und,3, an denen gearbeitet worden ist, aber auch die Ruinen E, Do, I, s und die große Tempelruine bei y sowie eine Anzahl der in cinerReihe zwischen den Ruinen K und y liegenden StOpentempelchen wurden mit äußerst geringen Ergebnissen durchsucht. Bessere Ausbeute ergaben unter anderem die Grabungen in den Ruinen K,T' und den im Osten vor der Stadt gelegenen Anlagen ,Russisch B" und ,Russisch Z.°, sowie auch in dem wahrscheinlich christlichen Tempelbau, der außerhalb der Stadtmauern östlich vom Strom und westlich von den beiden StOpengruppen gelegen ist.

Es wurden indessen nur wenige Manuskripte gefunden und auch die Ausbeute an Wandgemälden war, was die Menge angeht, gering.

Einige ziemlich stark beschädigte, aber in einer älteren Stilart gemalte Wandgemälde fanden wir in der bisher unbekannten Ruinenstätte von Tschyqqan Köl, die nahe dem Nordende der unteren Schlucht von Sängim und östlich von Murtuq gelegen ist; da aber nurArchaeologica und so gut wie gar keine Manuskripte gefunden wurden, wurde die endgültige Untersuchung der Ruinen aufgeschoben auf die, den Briefen aus der Heimat nach nunmehr bevorstehende Ankunft Professor GRONweoeLs.

Die Ausbeute war bis zu diesem Zeitpunkt (Februar) nicht sehr reich; immerhin waren aber allmählich 40 Kisten im Gewicht von etwa je 60 kg zusammengekommen, die wir mittelst einer Kamelkarawane gegen Mitte April an die Gesellschaft Nadjeshda in Tschugutschaq zur Beförderung nach Europa absenden konnten.

Einen etwas besseren Erfolg hatten unsere Grabungen in der Schlucht von Sängim (März), deren Tempel wir in der Reihenfolge ihrer Numerierung durch GRONweoEL (/dikutschari S. 117) untersuchten.

Hier fanden wir interessante Archaeologica und, glücklicherweise, auch die Reste zweier Klosterbibliotheken; die meisten der Klöster waren aber so häufig durch das Schmelzen des Schnees auf den benachbarten Höhen mit solchen Wassermassen überflutet worden, daß die meisten der dort verschütteten Schätze wohl schon in früheren Jahrzehnten der Zerstörung an-heimgefallen sein müssen.

Von der Sängimer Schlucht aus besuchten wir (April) das durch den Murtugfluß gebildete Seitental, auf dessen hohen Uferklippen, unweit des Fleckens Murtuq, die große von den heutigen Bewohnern mit dem Namen Bäzäklik bezeichnete Kloster- und Tempelanlage liegt.

Hier fanden wir stark verschüttete und dadurch vor Zerstörung bewahrte Tempel, aus deren besterhaltenem ich sämtliche Bilder herausschneiden ließ, obwohl Professor GRONWEDEL mich ersucht hatte, diesen Ort für ihn zu reservieren. Es war aber nötig, eine gute Ausbeute von Wandgemälden für das Museum zu retten, und da die Berichte nunmehr wiederum Professor GRONWEDEIS Kommen zweifelhaft erschienen ließen, zögerte ich nicht, diese Bilder uns zu sichern: vorsichtige und unbeobachtete Untersuchungen der Anlage hatten mich überzeugt, daß auch nach der Entfernung der Bilder eines Tempels ein außerordentlich großes Material für den Chef zurückblieb.t

Der Monat Mai wurde meist mit den mühseligen Arbeiten des Verpackens ausgefüllt; nachdem noch 60 Kisten, deren Durchschnittsgewicht etwa 2.30 dsching (chines. Pfunde) betrug, versandfähig geworden, machte die große Schwierigkeit der Beschaffung von Transport und und von einheimischem Geld zwei Reisen nach Urumtschi notwendig. Es gelang mir aber endlich, Transport zu erhalten. Bei dem großen Gewicht der Kisten war es nötig, die Verladung auf den großen, landesüblichen, zweirädrigen Karren (araba) vorzunehmen, denn erstens waren die Kisten für Kamele zu schwer und zweitens kommen diese Tiere in den heißen Sommermonaten nicht in die Turfaner Niederung. Bei der zweiten Reise nach Urumtschi hatte ich das einzige Abenteuer unseres Aufenthalts in Turkistan: in dem zum Teil von Tunganen bewohnten, übel beleumundeten Städtchen Daban-tsching wurde nachts von der Straße aus die Mauer des Serai-Zimmers, in dem meine Begleiter rasteten, durchschnitten und ein Teil ihres Sattelzeugs und ihrer Kleider geraubt. Es gelang mir zwar der Pferde und des Gepäcks des Einbrechers habhaft zu werden: er selbst aber entzog sich meiner Verfolgung.

Während der ersten dieser Reisen nach Urumtschi (im Juni) hatte ich Herrn BARTUS nach dem Ydr-Gholiz und auf der zweiten Reise (im Juli) nach der Ruine Schiii-pang bei Bulayiq

1 Es versteht sich von selbst' daß die, leider durch Professor Cues'sEuets angegriffene Gesundheit bedingten wechselnden Nachrichten aber sein Kommen oder Nichtkommen unsere Entschließungen tortwahrend beeinflußten. z YanGholi, Yir.Choto, oder die „Stadt an (oder aufl dem Yir" ist die 20 LI westl. von Turfan gelegene zweite Hauptstadt von Kao.? ang, die von den Chinesen zur Zeit der Tang Kino-ho genannt wurde (CHAPANNES, Documents sur les Tou-Kitte occidentaux, St. Petersburg, 1903, S. 101).

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