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0092 Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1
Buried Treasures of Chinese Turkestan : vol.1
Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1 / Page 92 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000198
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60   A. v. Le Coq, Turfanexpeditionen

eine Art Mohammedaner höheren Grades und wurden stets mit dem arabischen Gruß „der Friede sei mit euch", bedacht. Auch

hüteten wir uns vor allen gröberen Verstößen gegen das Gesetz.

Die Leute wußten wenig von der Lehre ihres Propheten, und ihr Fanatismus trat seltsamerweise viel weniger gegen die Chinesen,

als gegen ihre chinesisch redenden Glaubensgenossen, die Tunganen

(chin. Chui-chui), zutage. So geben sie zuweilen eine Tochter einem Chitai (Chinesen) zur Frau, niemals aber einem Tunganen; auch

besuchen sie niemals ein tunganisches Bethaus. Es herrscht überhaupt große Mißachtung gegeneinander bei beiden, Türken wie Tunganen.

Aber auch für die Mohammedaner ist es in Turkistan nicht ganz leicht, sich mit mehreren Frauen zu verheiraten, obwohl das mohammedanische Gesetz ja die Polygamie gestattet.

So kam gerade um diese Zeit Mämäsit (Mähämmäd Säyid), der Mirab von Luktschun, aus Kaschghar zurück (Taf. 1.3), wohin er im

Auftrage des Königs den letzten Sprossen der Chodschafamilie, der

früheren Fürsten von Ostturkistan, namens Abdu-s-Sa'id Chődscham, begleitet hatte. Dieser harmlose Sproß eines blutbefleckten

Geschlechtes ist als Gefangener in Peking erzogen worden und war

des Türkischen nicht mächtig. Er sprach nur chinesisch, konnte aber den Kuran rezitieren. Die Regierung hatte seine Harmlosigkeit

erkannt und ihm erlaubt, eine Bettelreise durch das Land seiner Väter zu vollziehen. Er soll etwa 20000 Sär (ca. 70000 Mark) von den Gläubigen erhalten haben. Auf dem Rückweg traf ich ihn in Begleitung des Mirab in Karachodscha.

Der Mirab hatte sich in Kaschghar mit zwei jungen Mädchen verheiratet, wie es die Sitte im Lande gestattet. Bei der Abreise

hatte er sich von ihnen geschieden. Als er aber in Karachodscha

eintraf, wo seine Familie wohnte, ließ ihn seine Frau Ai-en-nissá (Mond der Frauen) nicht in sein eigenes Haus. Sie schlug ihn mit

der Peitsche, sagte ihm „Gehe du nur zu deinen Kaschgharer

Frauen!" und warf ihm die Tür vor der Nase zu. Er kam höchst betrübt des Abends zu mir und erzählte mir seine traurige Erfahrung. Ich sagte ihm: „Freund, du hast doch soviel schöne Rol-

len mit Seide aus Andidschan und Chotän mitgebracht, auch schöne Musseline, feines rotes Tuch und andere schöne Dinge. Nimm von diesen Sachen und bringe sie deiner Frau!" Dieses Rezept wirkte Wunder. Am nächsten Tage war der Friede wieder hergestellt.

Aber man sieht aus dem Vorgang, wie groß der Einfluß der hier übrigens stets unverschleiert gehenden Frauen auf ihre Männer ist.