National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
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Auf Hellas Spuren in Ostturkistan : vol.1 | |
Buried Treasures of Chinese Turkestan : vol.1 |
Arbeiten und Ergebnisse in Kyzil | 115 |
Der zweite Tempeltyp ist der persische Kuppelbau. Die Vorhalle einer jeden dieser Kuppelbauten war, in allen Fällen, zerstört,
so daß wir nicht wissen, ob sie ein Pultdach besaß, oder mit einer Kuppel bedeckt war. Die Verteilung der Bilder war gemeinhin die-
selbe wie in den erstbeschriebenen Tempeln. Aber das Kultbild befand sich auf einem schön profilierten Sockel vor der Hinterwand, jedoch mit soviel Abstand, daß man auch hier die Umwandlung bequem vornehmen konnte.
Die Erfolge, die wir hier erzielten, ließen alle anderen, früheren, weit hinter sich. Überall fanden wir neue, unberührte Tempel, voll
der interessantesten und künstlerisch vollkommensten Bilder, alle
aus früher Zeit, früher als jene der eben besuchten Siedlung von Kumtura. In der Malweise ostasiatisch abgewandelte Gemälde feh-
len noch ganz. Alles ist, in Malerei wie in der Skulptur, indo-iranisch auf spätantiker Grundlage. Nach unserer, relativen, Chronologie hat diese Siedlung zwischen dem 5. und dem B. Jahrhundert unserer Ära geblüht. Sie muß, gegen Mitte des B. Jahrhunderts, verlassen, oder vielleicht damals schon gewaltsam zerstört worden sein. (Taf. 35.)
Gleich in den ersten Tagen glückte es mir, in einem der Tempel, der nach seiner roten Kuppel den Namen „Rotkuppe'lraum" er-
hielt, eine alte Bibliothek aufzudecken. Hier fanden wir frühe, in-
dische Handschriften in großer Menge, auf Palmblatt, Birkenrinde und Papier, sowie beschriebene Holztabletten. Alle Buchblätter
waren in der Form des indischen Buches, des Pothi, zugeschnitten. Ein vollkommenes Buch dieser Art wurde hier gefunden, es enthielt etwa 60 Blatt mit Texten in Sanskrit und tocharischer Sprache in indischen Lettern.
Eine Wand dieses Tempels trug Malereien von Damen in europäisch anmutender Tracht, sowie eine an mittelalterliche Totentanz-Darstellungen erinnernde Szene (vgl. S. 11.4.)
Als wir uns wenige Tage dort aufgehalten hatten, lagen Bartus und ich einmal früh um1/24 Uhr noch auf unseren Korkmatratzenund
rauchten unsere Morgenpfeife, als plötzlich aus dem Nebenzimmer Grünwedel erschien und mit vielen Rollen Pauspapier, Pinseln und seinem Malstuhl durch das Zimmer eilte und uns bat, ihm sein Frühstück in den und den Tempel zu senden. Herr Bartus rief aus „Herr Doktor, Herr Doktor, das geht doch nicht, daß er früher ist als wir, jetzt aber 'r•an an die Arbeit!"
Dieser Tag war der Beginn der schönsten Zeit, die wir in Turkistan zusammen erlebt haben. Erfolg folgte auf Erfolg und wenn auch die Nahrung uns manchmal Sorgen machte, so waren die täg-
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