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0053 Die Chinesischen Handschriften- und sonstigen Kleinfunde Sven Hedins in Lou-lan : vol.1
Die Chinesischen Handschriften- und sonstigen Kleinfunde Sven Hedins in Lou-lan : vol.1 / Page 53 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000227
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EINLEITUNG   29

das glänzende Weltreich sinkt nun zu einem kläglichen Haufen von Staatentrümmern ein, über die sich alsbald das Barbarentum jauchzend ergießen wird, um es für Jahrhunderte zu beherrschen. So versinnbildlicht der Fall von Lou-lan auch Chinas Fall, und die dürftigen Trümmer einsam im Wüstensande sind das Denkmal einer weltgeschichtlichen Katastrophe; denn mit der Losreißung des Tarimbeckens, der Unterbindung der groben westöstlichen Handelsader, hat stets deren mächtigflutender Kulturstrom, der weltenverbindende, weltenfördernde, weltenverschmelzende, beinahe im eigentlichen Sinn des Wortes im Sande versickern müssen. Wahrlich ein düster-gewaltiger Hintergrund, vor dem diese Ruinen in Lou-lan stehen, ein grandioses Trauerspiel, in dem die Verfasser aller dieser Briefe einst mitgehandelt, mitgelitten haben! —

Und doch — mitten in diesem Verzweiflungskampfe der Kultur wider das Nomadentum, unter dem blutigroten Schein der Notsignale von Turm zu Turm, die immer öfter, immer dringender warnen und mahnen, im hilflos einsamen, sturmbedrohten Grenzkastell, das vielleicht morgen schon die Beute eines erbarmungslosen Feindes sein wird: — mitten in aller der Not und Gefahr tun diese Menschen nicht etwa mit männlicher Fassung bloß, mit zusammengebissenen Zähnen und dem schweigenden Ernst entschlossener Pflichterfüllung ihr mühsames Tagewerk oder schauen dem Unabweislichen gar in starrem Grauen entgegen; sie ergehn sich auch nicht mattherzig in weichlicher Klage — denn wenn der Freund mitunter die weite und lange Trennung vom Freunde bedauert, so verdient das diese Bezeichnung gewiß nicht und erscheint in der Formelhaftigkeit seines Ausdrucks überhaupt eher als ein konventioneller Tribut an die Empfindsamkeit, die ja seit der Han-Zeit alamodisch geworden ist —, und ebensowenig geben sie die zynische Losung aus: lebe, denn du mußt sterben! genieße den Tag!, obwohl sie der Zeit nicht fremd und selbst im Liederbuche' schon schüchtern empfohlen ist: — nein, ruhig und gelassen, ja in ehrbarer Fröhlichkeit (so wie es etwa jene andere Ode — i, Io, I — verlangt) und in behaglichem Genuß der Freuden, die Leben und Kultur zu bieten haben, dabei unbeirrt und treulich erfüllend, was sie Staat und Familie schuldig sind — mit einem Worte, ganz so als wären sie daheim und ringsum läge die Welt im tiefsten Frieden: so schreiten sie die harte Straße ihres Berufs dahin. Gleichmütig sitzt man am Schreibtisch, während draußen vielleicht die Drommete ruft und die Trommel wirbelt, und übt die willige Hand in der schwungvollen Linienführung des berühmten Chung Yu (I, 31, 7) oder je nachdem auch in dem neuen Duktus, der k'ai-shu, die kürzlich aufgekommen ist — denn schöne Handschrift, das Merkmal. der Bildung, ist nicht zuletzt auch für den strebsamen Beamten eine große Empfehlung; gleichmütig, mit gewissenhafter Sorgfalt faßt man seine Berichte ab und führt seine Bücher; seelenruhig setzt man einen Kondolenzbrief wieder und wieder auf, bis die

' Shi-king I, 10, II.