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0054 Die Chinesischen Handschriften- und sonstigen Kleinfunde Sven Hedins in Lou-lan : vol.1
Die Chinesischen Handschriften- und sonstigen Kleinfunde Sven Hedins in Lou-lan : vol.1 / Page 54 (Color Image)

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doi: 10.20676/00000227
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EINLEITUNG

3o

hergebrachten Phrasen klangvoll und überzeugend genug ins Ohr zu fallen scheinen (I, 7-9), oder schmückt einen Brief mit klassischen Zitaten (2, 43), mit tönenden Worten und und gewählten Wendungen aus (I, 4; 2, 28 U. o.); und mag das Schreiben noch so gewichtigen Inhalts sein, man verfehlt doch niemals eine verbindliche Floskel, sei es eine Frage nach dem Befinden, sei es einen höflichen Wunsch, hinzuzufügen (I, 15, 1; I, 4 u. ö.). Und sie freien und lassen sich scheiden (i, 27, I); der geht in Erholungsurlaub und jener kehrt zurück (2, 3; 36); man verabredet ein Plauderstündchen (2, 3?) und freut sich an Speise und Trank, an Wein und schmackhaften Saucen (I, 23, 2), eingedenk vielleicht des charakteristischen alten Sprichworts, daß man „nur beim Essen den Kummer vergißt"' ; und kommt dann vollends das Neujahrsfest heran, so schickt man einander fröhlich seine Glückwünsche zu (I, J4), ja es ist gar nicht ausgeschlossen, daß man es recht unbekümmert vergnügt mit allerhand Lustbarkeit, mit Tänzen und primitiven Theatervorstellungen gefeiert und sich womöglich schon an den närrischen Reden des chinesischen Kasperle K'uoh's des Kahlen: am Puppentheater ergötzt hat, das ja gerade in Zentralasien eine uralte Heimat besitzt.' Denn die Vergnügungen des Ta-chah sind ja die Saturnalien der Chinesen, und wenn sie dem Famulus Wagner des Konfuz, Tze-kung, so von Herzen zuwider gewesen sind,3 so kam das eben daher, daß seine ritualverknöcherte Pedantenseele die ausgelassene Lustigkeit des Volkes — die „Verrücktheit", wie er es nannte — nicht verstand, die dabei herrschte und sicherlich wie bei dem entsprechenden lamai der Japaner in Ernte- und anderen mimischen Tänzen gegipfelt hat; und eben an diese mag sich das Puppenspiel um so natürlicher angeschlossen haben, als sie eine der Hauptwurzeln des chinesischen Dramas sind, und als auch der Einfluß Indiens hier mächtig war, dessen Mimus ja vielleicht schon während der Han-Periode auch in das eigentliche China vorzudringen begonnen hatte.4 — Doch über dem gröberen Genuß wurden auch die höheren, die geistigen Interessen nicht vergessen: man verfolgt die neuesten Erscheinungen der Literatur (I, 27, 1), und behaglich sitzt der oder jener in amtsfreier Stunde in einen Lieblingshistoriker seiner Bibliothek vertieft und notiert sich hier und da einen Gedanken darüber, den er bei nächster Postgelegenheit mitsamt den letzten Neuigkeiten des Stadtgespräches dem gelehrten Freund in der Ferne mitteilen will (I, 27, t), ja mehr noch: unter allen seinen Sorgen und Geschäften findet ein andrer sogar Muße und Stimmung zu eigner literarischer, zu schöngeistiger Tätigkeit, und nicht etwa Tristien sind es, die er entwirft, sondern eine novellenartige Reisebeschreibung, ein Reiseroman (I, 29; vgl. I, 28; 2, 19?).

Aber wenn man nach alledem glauben wollte, diese Männer hätten bloß gedankenlos selbstsüchtig in den Tag hineingelebt, so würde man doch wohl irren.

i Tso-chuan Ch. Cl. V, 723.   2 Lieh-lze 5, I2a/b   3 Li-ki 7 (i8), 73a, SBE 28, 167.

4 Ich darf hier für Näheres wohl auf meine vorläufige Skizze der Entwicklung des chinesischen Dramas in der „Illustrierten Zeitung" vom 23. Juni 1910 (Bd. 134, Nr. 3495), S. 1196-98 verweisen.