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0011 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 11 (Grayscale High Resolution Image)

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doi: 10.20676/00000274
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1. Der Wohnbau im alten Indien.

namentlich der alten, bis vor kurzem im allgemeinen zu haben pflegte: sie hatte einen starken religionswissenschaftlichen Einschlag. Man betrachtete die Denkmäler in erster Linie in ihrem Verhältnis zum Buddhismus, zum Dschainismus, zum Brahmanismus 1). Das hat insofern seine Berechtigung, als die Religion indisches Leben völlig durchdringt, wenn auch kaum in wesentlich anderer Weise als im alten Aegypten, in Griechenland oder im abendländischen Mittelalter, der Geist des jeweils herrschenden Religionssystems sich also im Kunstwerk aussprechen muß, zumal wenn dies Kunstwerk im Auftrag der Religionsgemeinschaft, der Kirche, und für ihre Zwecke entstand. Es hat weiter seine Berechtigung, wenn mit der Bezeichnung nach Religionssystemen bestimmte Zeitabschnitte unterschieden werden. Ein Schiwatempel unterscheidet sich von einem buddhistischen Kultbau, weil er jünger ist, weil die Formensprache sich gewandelt hat. Gleichzeitige Bauten der verschiedenen Religionsgemeinschaften im gleichen Landesteil unterscheiden sich aber nur insofern, als die der Kunst gestellten Aufgaben anderer Art sind, andere Kultformen andere Raumformen verlangen, die Plastik eine andere Rolle spielt und andere Symbole in den Schmuckformen auftreten. Streng genommen sollte man also nicht von buddhistischer Baukunst sprechen, sondern von einer Baukunst, die für den Buddhismus, d. h. für die buddhistische Kirche arbeitet und die je nach der Zeit und der Art des sie tragenden Volkes verschieden ist. Daß mit der Ausbreitung des Buddhismus über einen großen Teil Asiens, mit seinem Aufstieg zur Weltreligion sich die unter seinem Einfluß gefundenen Lösungen für kultisches Bau- und Bildwerk mit verbreiteten, steht auf einem anderen Blatt.

Für die Frage nach dem Aussehen der Paläste und Häuser des Indien Asokas und Tschandraguptas ist es an und für sich belanglos, ob die Baukunst der Zeit ,,buddhistisch" war, d. h. ob der Architekt beim Bau eines Palastes sich der Formen bediente, die im Kultbau erwachsen waren, wie der Gotiker die an der Kathedrale entstandenen Dinge wie Maßwerkfenster, Fialen und Wimperge auch am Rathaus und am Schloß verwandte, oder ob die kirchliche Baukunst umgekehrt aus dem Bestand der Profanbaukunst das herausgriff, was ihr am dienlichsten schien. Man wird ohne weiteres annehmen dürfen, daß eine Wesensverwandtschaft bestand, daß der Fürst sich seinen Palast nicht in anderen Formen bauen ließ wie das Kloster, das er der buddhistischen Kirche stiftete. Wer die drawidische Baukunst der Neuzeit kennt, wird entgegenhalten wollen, daß das doch wohl möglich sei: die Fürsten von Widschajanagar, Madura und Tandschur hätten sich z. B. ihre Paläste im 16., 17. und 18. Iahrhundert in einem völlig

äuser und Paläste der Städte des alten Indien sind untergegangen, und die Hoffnung, sie durch Ausgrabungen wiederzugewinnen, ist

denkbar gering. Holz war der Stoff, aus dem der altindische Architekt seine Wohnbauten aufführte, vielstöckige Bauten, und auch das Tikholz vermag sich im feuchtheißen Klima Indiens nicht Jahrtausende unter dem Boden zu halten. Die englischen Grabungen in Patna, dem alten Pataliputra, werden über den Palast des Tschandragupta, den die Griechen wegen seiner Ekbatana und Persepolis in den Schatten stellenden Pracht rühmten, bestenfalls die Erdgeschoßmauern an den Tag bringen, dazu noch architektonische Einzelheiten, Säulenkapitelle und dergleichen. Das wäre für die Erkenntnis der Prinzipien der Plangestaltung im altindischen Palastbau immerhin sehr wichtig. Aber man würde sehr in die Irre geraten, wollte man darauf allein irgend welche Rückbildungsversuche aufbauen, weil das Wesentlichste im indischen Hausbau, die Obergeschosse, unwiederbringlich verloren sein muß.

Die alte indische Literatur, vor allem die beiden großen Epen, das Mahabharata und das Ramajana, gibt mit ihren Schilderungen zwar die Grundlagen für eine allgemeine Vorstellung von einer hochentwickelten Wohnkultur, von mauerumgürteten Städten mit breiten Straßen, mit Plätzen, auf denen Brunnen sprudelten, vielgeschossigen Häusern, die sich lückenlos aneinander-schließen, Gärten vor den Toren der Stadt mit Lusthäusern und Wasserflächen. Zu einem wirklichen Bild vom Wohnwesen des alten Indien läßt sich das alles indessen nicht verdichten. Auch über die Zeit, in der wir in Indien diese Zustände voraussetzen dürfen, gehen die Meinungen sehr auseinander.

In der Tat gibt es aber Denkmäler, die ziemlich sichere Rückschliisse auf das Aussehen altindischer Paläste und Häuser, ihren Aufbau, ihre Planbildung und die Raumformen ermöglichen. Das sind einmal Gebäudedarstellungen auf den Reliefs der Tore (Toranas) des den Stupa von Santschi umgürtenden Steinzaunes, der Toranas und der Steinzäune von Barahat (Bharhut) und Arnaravati, zu denen ergänzend eine Anzahl jüngerer Flachbildnereien aus dem Gandharagebiet tritt. Zum zweiten aber sind es die zahlreichen prachtvoll erhaltenen buddhistischen Felsenklöster und -Kirchen in den westlichen Gebirgen Indiens, in Bhadscha, Nasik, Adschanta, Ellora, Bagh, auf der Insel Salsette und an anderen Orten und die ausgegrabenen Klosterruinen des Gandharagebietes, Tacht-i-Bahai, Dschamalgarhi, Sanghao, Schah-Dheri und andere.

Der Versuch, aus den Resten dieser kirchlichen Baukunst des alten buddhistischen Indien eine Vorstellung vom Wohnbau zu gewinnen, ist bisher noch nicht ernstlich unternommen worden. Das erklärt sich vielleicht aus der Einstellung, die man gegenüber der indischen Kunst,

') Grünwedel sagt sogar: Die altindische Kunst ist stets eine rein religiöse gewesen; sowohl die Architektur wie die mit ihr stets und Innig verbundene Skulptur hat nie und nirgends Profanzwecken gedient. (Buddhistische Kunst in Indien (2) 1920 S. 1.