National Institute of Informatics - Digital Silk Road Project
Digital Archive of Toyo Bunko Rare Books

> > > >
Color New!IIIF Color HighRes Gray HighRes PDF   Japanese English
0085 Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1
Indische Palaste und Wohnhauser : vol.1 / Page 85 (Grayscale High Resolution Image)

New!Citation Information

doi: 10.20676/00000274
Citation Format: Chicago | APA | Harvard | IEEE

OCR Text

 

 

     

75

Als Bauwerk ist der Gul Mahal belangvoll einmal, weil sich in ihm wieder das Stufenprinzip in voller Klarheit verkörpert, und zum zweiten, weil sein Kern aus dem alten indischen kuppelbedeckten Rundhaus besteht. Tafel 117 gibt Grundrisse und Schnitt des Hauptbaus. Wenn man den Grundriß mit dem Rundtschaitja in Guntupalle oder dem auf dem Barahater Relief dargestellten Rundbau mit seiner Vorhalle vergleicht (Abb. 12), so kann man sich des Gedankens nicht erwehren, daß hier durch die Jahrtausende hindurch ein Zusammenhang bestehen muß, daß der Architekt, der den reizvollen Bau auf der Insel im blauen See schuf, ebensowenig einen neuen Gedanken verwirklichte, wie der Meister von Dschodh Bais Palast in Fathpur Sikri mit seinen Tschaitjaräumen. Wie dort die steinernen Rippen sogar konstruktiv die alten Bohlensparren vertreten, so hier die nur gliedernd verwendeten radialen Flachbänder, die auf dem Kämpfergesims des Kuppelraumes aufstehen. Die beiden unteren Geschosse des Rundbaus sind über vier im Quadrat stehenden Innenstützen, die in altradschputischer Art durch Querschnittswechsel gegliedert sind, flach gedeckt. Man sieht deutlich, daß der oberste Raum stilistisch von ihnen verschieden ist. Maharana Karan ließ ihn für seinen hohen Gast ausstatten, mit weißem Marmor auslegen und mit Einlegewerk aus Halbedelsteinen schmücken, und zwar in den Formen, wie sie damals am Hof zu Delhi und Agra in Aufnahme kamen. Im Schnitt erkennt man weiter, daß sich die dem Rundraum vorgelegten Hallen von Geschoß zu Geschoß zurückstufen, unten drei .loche an Tiefe besitzen, während die oberste Tibari nur ein Joch tief ist. So entstehen in jedem Geschoß kleine Höfe, aus denen man durch ausgekragte Tschhatris auf den Garten unten mit seinem Wasserbecken und über den durchsichtigen Hallengürtel hinweg auf den See, seine waldigen Uferberge und die weiße Stadt sehen kann. Die Dreiheit der Wohnelemente: umschlossener Raum = Kothri, Halle = Tibari und Hof = Tschok, ist also in jedem Geschoß vorhanden. Treppen, Aborte und ein Baderaum liegen in den dicken Mauern seitlich der Hallen, weitere Nebenräume, wie Küche, Dienerwohnungen und anderes mehr sind in zwei langen eingeschossigen Flügeln untergebracht, aus deren Mitte der Rundbau herauswächst mit seinem feinen Kuppelumriß, begleitet von zwei Tschhatris mit gekurvten Bangaldardächern (Tafel 116), die ganze Baugruppe beherrschend (Tafel 114 und 115). Am See steht eine Landungshalle mit seltsamen, aus mehreren blütenförmigen Kalasagliedern zusammengesetzten Säulen (Tafel 116, unten).

Der Udaipurer Gul Mahal ist nach dem heutigen Sprachgebrauch eine Bar a da r i, das ist ein frei in einem Garten stehendes villenartiges Haus. Auch die Bhawans in Dig würden — bis auf den Hardeo Bhawan — der Gruppe der Baradaris zugerechnet werden, die aber in der weiten Fassung des Begriffes nicht nur villenartige Bauten in sich schließt, sondern auch kleine Säulenhallen ohne umschlossene Räume, wie es zum Teil die ausdrücklich als solche benannten Baradaris sind, die sich Schah Dschehan am Ana Saugar in Adschmir erbauen ließ (Tafel 59). Das Wort Baradari bedeutet aber einen Bau mit zwölf Türen, und zwar zwölf zu je dreien auf die vier Seiten verteilten Türen, schließt also streng genommen in sich, daß er vierseitig symmetrisch sei. Im einfachsten Fall ist also eine Baradari ein quadratischer Einraumbau, in den von jeder Seite drei Türen oder Eingangsöffnungen — es können auch die In terkolumnien einer Säulenstellung sein — hineinführen. Eine solche einräumige Baradari steht im Wikrama Mandir auf der Burg zu Gwalior 1),

1) s. Cunningham, Arch. Surv. Ind. II S. 350 u. PI LXXXVII.

ausgezeichnet durch die gerippte Steindecke in Gestalt eines Klostergewölbes. Der nordindische Architekt versteht aber im engeren Sinne unter einer Baradari einen vierseitig symmetrischen Bau mit einem mittleren Kernraum, um den sich auf allen vier Seiten von Eckräumen gefaßte Tibaris legen. Das älteste mir bekannte Beispiel für diesen Typus — oder vielmehr nur das Abbild — ist das als solches bereits erwähnte Rath des Dharmaradscha in Mahawellipur (Tafel 2 und Abb. 6), dem ich als modernen Vertreter die Baradari des Randschit Singh im Hasuri Bagh vor der Burg von Lahor gegenüberstelle (Tafel 172 und 74). Der kleine zierliche Bau, als Gartenhaus für den Soldatenkönig der Sikhs aus Marmor erbaut, der vom Mausoleum Dschehangirs geraubt wurde, ist auch insofern lehrreich, als er zeigt, wie das Stufenprinzip auf einen solchen Grundriß angewendet, zur Stufenpyramide führen muß. Daneben bringt Tafel 172 den Grundriß einer Baradari im Palastgarten des Maharadscha von Dschaipur, die als Thronsaal dient und die Verwandtschaft mit dem altpersischen Apadana und seinem vielsäuligen quadratischen Hauptsaal auf der Stirn geschrieben trägt.

Die Weiterentwicklung der Baradari steht unter dem Einfluß von zwei Faktoren. Einmal ist das der Wunsch nach Raumvermehrung, der sich in der Weise befriedigen ließ, daß man Ketten von Nebenräumen gürtelartig zwischen den Kernraum und die Hallenzone legte, wie das beim Suradsch Bhawan in Dig geschehen ist (s. Tafel 94). Man konnte aber auch um eine an sich vollständige Baradari einen äußeren Hallengürtel herumlegen. Das ist der Fall bei dem Lusthaus, das sich der letzte islamische Herrscher von Maisur, der durch seinen zähen Widerstand gegen die Engländer berühmt gewordene Tippu Sahib, im D er i a Daulet Bagh in Seringapatam errichten ließ. Das durch gute Verhältnisse, klaren Rhythmus und reichen farbigen Schmuck ausgezeichnete kleine Bauwerk veranschaulicht gut den Wandel der nach Südindien gewanderten Formen der höfischen Kunst von Agra und Delhi zu gebrechlicher Zierlichkeit am Ausgang des 18. Jahrhunderts. Eine der vier gleichen Gartenseiten zeigt das obere Bild auf Tafel 164. Man sieht, daß die umlaufende Säulenhalle die Iatscharafront, die selbstverständlich auch hier zugrunde liegt, verschleiert. Auf dem unteren Bild der Tafel 164 sieht man in eine der von zweigeschossigen Eckbauten gefaßten Tibaris hinein. Die reiche Bemalung, die sich auch auf die Leibungen der Arkaden erstreckt, wurde größtenteils im 19.Jahrhundert wiederhergestellt, ebenso die Decken, die mit ihren in das Kleintäfelwerk eingestreuten Spiegelsternen genau den heute in Persien üblichen entsprechen. Tafel 165 gibt einen der Innenräume, der mit der teppichartigen Behandlung. des Wandschmucks die gänzlich andere Richtung im Dekorativen gegenüber den Mogulbauten des 17 Jahrhunderts erkennen läßt 1).

Der zweite Faktor, der auf die Entwicklung der Baradari einwirkt, ist die Wölbung. Durch ihre Anwendung auf den Baradarigrundriß entsteht ein kuppelgewölbter Zentralbau mit vier tonnengewölbten Achsenliwanen. In dieser Form ist die Baradari zum Monumentalgrab der Mogulzeit geworden, und das älteste Beispiel mit achteckigem Mittelraum — die indische Lösung des Gedankens der Villa rotonda — ist das Mausoleum des Kaisers Humajun bei Delhi, das berühmteste der Tadsch Mahal in Agra. Es gibt noch eine große Anzahl solcher Grabbaradaris, die alle das nämliche Raumgefüge mehr oder minder geistreich abgewandelt zeigen. Ich nenne nur

     

1) Die gekaufte Photographie, nach der die Tafel hergestellt ist, ist „Seringapatam" bezeichnet ohne nähere Angabe. Ob sie tatsächlich einen Innenraum der Baradari — und zwar einen der Eckräume wiedergibt, ist mir nicht ganz zweifelsfrei.

     

11